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1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 79

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der kapitalistischen Ära, in dem kapitalistischen Konkurrenzkampf um die Ausbeutung der Menschheit, vor allem der so genannten Kolonialvölker, zu suchen.

(Sehr richtig! Bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Dieser Konkurrenzkampf ist unter gegenseitiger Steigerung der Rüstung jahrzehntelang von allen beteiligten Mächten vorbereitet worden.

(Sehr wahr! Bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Aber der besondere Anstoß zum Ausbruch des Krieges, die besondere Provokation, die Kriegserklärung fällt allerdings auf das Schuldkonto der deutschen Reichsregierung, und alle die Versicherungen, die wir auch eben wieder gehört haben, daß alle neueren historischen Forschungen doch die Schuld Deutschlands als die geringfügigste erscheinen lassen, ändert daran nichts, daß die deutsche Regierung im Einverständnis mit der österreichischen geglaubt hat, diesen allmählich anschwellenden Konkurrenzkampf, der auch nach Auffassung der anderen kapitalistischen Mächte schließlich in einen Weltkrieg aussenden musste, durch einen Präventivkrieg zu ihren Gunsten gestalten zu können.

(Sehr richtig! Bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.

- Zuruf rechts: Wer hat denn mobilisiert?)

- Ach, kommen Sie mir doch nicht mit Ihren Mobilisierungsgeschichten! Daß das ein Präventivkrieg war, ist nach Kriegsbeginn von den bürgerlichen Parteien längst eingestanden worden. Daraus erwachsen allerdings gewisse Verschuldungen der besonders beteiligten Personen, nicht bloß der geistig und an Charakter höchst unbedeutenden Monarchen, sondern deren Ratgeber. Aber diese Leute dafür zur Verantwortung zu ziehen, daß ist die Pflicht des deutschen Volkes.

(Sehr wahr! Bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Daß ist nicht ein "moralisches Recht" der Ententemächte. Wir bestreiten, daß die Ententemächte das Recht haben, dem deutschen Volk eine Strafe aufzuerlegen, gewissermaßen als Wahrspruch eines welthistorischen Prozesses. Ein solcher Gedanke kann nur in Advokatengehirnen entstehen. Während des Krieges haben natürlich die so genannten Staatsmänner der sich bekämpfenden Nationen erklärt: wir vertreten das wahre Recht, die wahre Moral und der liebe Herrgott wird eben dieser Moral und dem Recht durch seine göttliche Entscheidung schließlich die Sanktion geben. Die Geistlichen aller Konfessionen haben in sämtlichen Kirchen, in der Überzeugung, daß sie die Wahrheit sprachen, für den Sieg ihrer reinen Waffen der Gerechtigkeit gebetet. Ach, meine Herren, auf diese Versuche moralisierend die Metzeleien wegen der Weltausbeutung zu beträufeln mit salbadernden Redensarten, darauf hat schon vor langen Jahren einer der größten Machtpolitiker aller Zeiten, Napoleon I., einmal eine sehr treffende Antwort gegeben. Er sagte nämlich: Der liebe Gott ist immer auf der Seite der starken Bataillone.

(Zuruf von der Deutschen Volkspartei: War das nicht der alte Fritz? - Heiterkeit.)

- Meines Wissens war es Napoleon I. Wenn es der alte Fritz gesagt hat, nun gut!

(Zurufe und Heiterkeit rechts.)


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- Selbstverständlich war das auch ein Gewaltpolitiker ersten Ranges. Ja, meine Herren, daß man einmal die Gewaltpolitiker verwechselt - ich kann es nicht nachprüfen, vielleicht haben Sie recht.

(Zuruf: Sicher!)

- Gut, dann haben Sie recht, meine Herren. Aber worauf es hier ankommt, ist doch nicht, wer das gesagt hat, ob der eine Gewaltpolitiker oder der andere. Es handelt sich hier um die Wahrheit, die da eingestanden wird. Sie alle während des Krieges, alle bürgerlichen Parteien, haben samt und sonders auf dem Standpunkt gestanden, daß sie allein die wahre, gerechte, moralische Sache vertreten; sie alle haben das schöne Lied gesungen: Gott strafe England!, das war eine Zeitlang Nationalhymne der deutschen Patrioten -

(Zuruf bei der Deutschen Volkspartei: Sozialdemokraten haben mitgesungen!)

- Wenn das Sozialisten mitgesungen haben, dann sind das Leute gewesen, die den Namen Sozialismus geschändet haben, die nicht wirkliche Sozialisten sind; traurig genug, daß während des Krieges diese Kriegsbegeisterung auch von Leuten mitgemacht worden ist, die sich Sozialisten genannt haben. Aber wir haben diese Kriegsbegeisterung und Kriegsverherrlichung von Anfang an bekämpft,

(sehr wahr! Bei den Unabhängigen Sozialdemokraten)

und haben von Anfang an solche Scheußlichkeiten gebrandmarkt,

(Zuruf von der deutschen Volkspartei)

und das gibt, da die Geschichte uns auch in diesem Punkte bereits recht gegeben hat, und die große Stärke in der Behandlung aller internationalen Fragen, die Sie nicht haben werden.

(Zuruf von der Deutschen Volkspartei: Sie richten nur nichts aus mit Ihrer Stärke!)

Wir als internationale Sozialisten erfüllen unserer Pflicht 10 hier in Deutschland, indem wir gegen die verbrecherischen Hetzereien der Nationalisten, mit denen Sie bereits das deutsche Volk einmal ins Unglück gestürzt haben und die Sie jetzt von neuem beginnen, bei jeder Gelegenheit in der schärfsten Weise vorgehen und darauf hinarbeiten, daß das deutsche Volk diesen verbrecherischen Hetzereien nicht Folge leistete.

(Sehr richtig! Bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. - Zuruf von den Deutschnationalen: Sie Haupthetzer!)

Nun, meine Herren, wir erwarten von unseren englischen und französischen Genossen

(Lachen rechts)

in den Ententeländern dasselbe gegenüber ihren eigenen Regierungen. Ich will Ihnen zum Beispiel dafür, daß unsere Freunde dieser Pflicht gegenüber der Regierung Lloyd George in der vollsten Weise Rechnung tragen, mit Erlaubnis des Herren Präsidenten nur ein Zitat vorlesen aus einer Broschüre, die unsere englischer Freund Trevelyan gegen seine Regierung geschrieben hat. Die Broschüre ist überschrieben "From Liberalism to Labour", - Vom Liberalismus zur Arbeiterbewegung. Da sagt er:

Vier Jahre hatten die Wortführer der öffentlichen Meinung in England, ihnen allen voran die liberalen Führer, die


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