1. Reichstag, Weimarer Republik


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n'y riez pas, monsieur, nous mourrons ensemble, lachen Sie nicht, wir sterben gemeinschaftlich. Ich glaube man kann auch französischen Politikern, die jetzt davon träumen, Deutschland politisch und wirtschaftlich zu zerstückeln, nur das eine sagen: Die Freude und das lachen darüber wird euch bald vergehen, denn unser Untergang schließt euren Untergang in sich,

(sehr wahr! Bei der Deutschen Volkspartei und im Zentrum)

Ihr seid jetzt derartig an uns gekettet mit einer Schicksalsgemeinschaft daß unsere wirtschaftliche Stärke, die einzige Möglichkeit ist, euch vor eurem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren.

Präsident: Das Wort hat der Herr Reichsminister des Äußern 7

Dr. Simons, Reichsminister des Auswärtigen: Meine Damen und Herren! Ich bleibe dabei: Es war richtig, daß ich mich damals auf folgende Worte beschränkt habe, die ich doch noch einmal zur Verlesung bringen möchte: Ich möchte noch einmal die Worte zur Verlesung bringen, die ich damals auf der Londoner Konferenz gesagt habe, damit nicht der Eindruck entsteht, ich hätte da gesessen und geschwiegen. Ich sagte in der Sitzung:

Der britische Herr Premierminister hat darauf hingewiesen, daß die Grundlage des Friedensvertrages in der Schuld Deutschlands am Weltkrieg zu erblicken sei, und daß daher Deutschland nach dem Prinzip, daß es 1871 im Frankfurter Frieden selbst über Frankreich aufgestellt habe, nicht nur wie es der Vertrag von Versailles vorschreibt, die Schäden zu ersetzen, sondern sogar alle Kosten des Krieges zahlen müsse. Er hat gemeint, daß nicht eher eine Verständigung über die Durchführung des Friedensvertrages möglich wäre, als bis Deutschland seine ausschließliche Verantwortung anerkenne.
Und ich fuhr fort:
Ich habe absichtlich die Frage der Schuld hier nicht aufgeworfen, weil ich im Gegenteil der Meinung bin, daß sie die Verständigung erschwere. Der Frankfurter Friede legt nach dem alten völkerrechtlichen Gebrauch die Kriegslasten nicht auf den Schuldigen, sondern auf den unterlegenen Teil. In der Tat kann die Schuldfrage weder durch Verträge noch durch Anerkenntnis noch durch Zwangsmaßnahmen geregelt werden. Wer die Verantwortung für den Weltkrieg trägt, darüber wird dereinst die Weltgeschichte das letzte Wort sprechen. Wir alle stehen den Ereignissen noch zu nahe. Es hat mir immer fern gelegen, die deutsche Regierung von jeder Verantwortung für den Krieg freisprechen zu wollen. Ob aber überhaupt ein einzelnes Volk die Schuld an diesem schrecklichen Kriege trägt, und ob dies ausschließlich das deutsche Volk ist, wurde durch die Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles nicht endgültig entschieden.


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Ich glaube, das war keine unwürdige Stellungnahme, wie sie mir von Herrn Dr. Helfferich unterstellt worden ist.

(Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei.)

Meine Damen und Herren! Ich stimme mit dem Herrn abgeordneten Stresemann durchaus überein, daß die Verhandlungen hier im Reichstag keinen Grund gegeben haben anzunehmen, daß die Verhandlung der Schuldfrage zwischen den Parteien des Reichstags augenblicklich geeignet wäre, uns eine bessere Position in der Welt zu geben. Wir sehen doch, wie dieser Blick nach rückwärts zwischen unseren Volksteilen eine Flamme der Leidenschaften auflodern läßt, eine Leidenschaft, die wohl verständlich ist bei einem Volke, durch dessen historische Entwicklung ein so großer Riß gegangen ist, wie durch unsere Entwicklung im November 1918. Gegen diese Leidenschaften kann sich kein Deutscher mit Gemütsruhe wappnen. Da muß eines jeden Blut entflammen, und da muß eine jede Partei , die das Neue gewollt hat, mit aller Leidenschaft dafür kämpfen, und die andere, deren Ideale damals zerstört und zerschlagen worden sind, muß sich mit aller Leidenschaft dagegen wehren.

(Zurufe bei den Deutschnationalen: Das ist keine Parteisache! Das ist eine Frage der Ehre, eine Frage des ganzen deutschen Volkes! - Gegenrufe von den Sozialdemokraten.)

Vizepräsident Dr. Bell: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ledebour. 8

Ledebour, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Ich möchte deshalb zunächst einmal die Frage stellen: worüber sind wir denn einig? 9 Einig sind wir - alle Parteien dieses Hauses, und ich glaube auch mit der Regierung - darin, daß der Friedensvertrag von Versailles ein Akt der Vergewaltigung ist, der auf Grund der Machtverhältnisse von den Ententeregierungen Deutschland aufgezwungen werden konnte. Einig sind wir, glaube ich, auch darin, daß die in Paris ausgemachten und späterhin in London überreichten Reparationsforderungen in ihrem vollen Umfang, bei ihrer buchstäblichen Durchführung auf den Ruin der ganzen deutschen Volkswirtschaft, auf die Verelendung insbesondere der Arbeitermassen und deren Versklavung auf längere Zeit hinauskommen müssen. Einig sind wir uns aber auch darüber, daß der uns aufgezwungene Friedensvertrag soweit durchgeführt werden muß, wie es die Leistungsfähigkeit Deutschlands ermöglicht. Darüber aber, was denn nun zu geschehen hat, damit Deutschland aus dieser furchtbaren Lage herauskommt, gehen allerdings die Meinungen sehr weit auseinander. Und da gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen über die Schuldfrage. Die Schuldfrage zerfällt eigentlich, wenn man sie genau betrachtet, in zwei Fragen, nämlich erstens die: wie ist überhaupt ein solcher Krieg möglich gewesen? Und zweitens? Was für individuelle Beschuldungen sind einzelnen Staatsmännern und Teilnehmern an diesem Kriege vorzuwerfen gewesen? Nach unserer Auffassung ist der letzte Grund dieses Krieges, wie aller Kriege in


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