1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 294

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(Lachen und stürmische Zurufe bei den Vereinigten Sozialdemokraten und den Kommunisten.)

- Sie kennen das nicht! Ihren alttestamentarischen Zorn der Grausamkeit wollen wir nicht! Wir wollen den gerechten Zorn des deutschen Herzens haben. Darum, meine Damen und Herren, richte ich an Sie von den bürgerlichen Parteien die Bitte: behandeln Sie diese Frage auch vom Standpunkt der Menschlichkeit und Gerechtigkeit und nicht vom parteipolitischen Standpunkt aus! Dann ist es allerdings vonnöten, daß einmal etwas deutlichere Worte auch von Ihnen gesprochen werden. Wir, meine Damen und Herren, wir werden das Märtyrertum für unsere Ideen auf uns nehmen und werden es tragen können in dem vollen Bewusstsein, daß wir für eine große Sache leiden. Aber Sie kommen vielleicht auch noch einmal alle heran. Ob Ihnen dann wohl sein wird in einem gleichen Märtyrertum, oder ob Sie dann nicht das Gefühl haben müssen: wir büßen jetzt das, was wir gegen mangelnde Energie selbst verschuldet haben, - das mögen Sie mit sich selbst ausmachen!

(Lebhafter Beifall bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei. - Zurufe bei den Vereinigten Sozialdemokraten und den Kommunisten.)

Vizepräsident Dittmann: Das Wort hat der Herr Reichsminister des Innern Oeser10.

Oeser, Reichsminister des Innern: Meine Herren, dem Herrn Abgeordneten v. Graefe verarge ich seine Erregung nicht; ich verarge ihm aber, daß er diese Erregung benutzt, um schwere und durch nichts gerechtfertigte Angriffe gegen die Reichsregierung und gegen andere Stellen hier zu richten.

(Zuruf von den Kommunisten: Und Enthüllungen!)

- Ja! Herr v. Graefe verfährt wie vielfach ein Angeklagter, daß er die Rollen vertauscht und seinerseits den Ankläger spielt, um den Anschein zu erwecken, als ob er schuldlos verfolgt wäre und die Reichsregierung zu alledem im Bewusstsein der absoluten Loyalität des Vorgehens des Herrn v. Graefe und seiner Parteigenossen schwiege. Ich muß hiergegen im Namen der Reichsregierung den entschiedensten Protest einlegen! Von alledem, was Herr v. Graefe ausgeführt hat, ist mir nichts bekannt. Allerdings ist vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig in öffentlicher Verhandlung ein Protokoll verlesen worden das anscheinend eine Aufklärung über die Äußerung des Herrn v. Graefe hier geben wird. Es handelt sich um die bekannte Wannsee-Versammlung, die dem preußischen Minister des Innern den Anlaß zu seinem Vorgehen gegen die Deutschvölkische Freiheitspartei gegeben hat. Diese Versammlung ist einberufen gewesen von Herrn Rossbach. Dort sind verschiedene Reichswehroffiziere gegenwärtig gewesen, und einer dieser Herren - -

(Abgeordneter v. Grafe: Darum handelt es sich doch nicht! - Unruhe und Gegenrufe links.)

- Sie werden mir doch jetzt auch gestatten, Herr v. Graefe, daß ich sage, was ich zu sagen habe,

(sehr wahr! Bei den Vereinigten Sozialdemokraten und bei den Kommunisten)


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und Sie dürfen nicht glauben, daß Sie mich jetzt mundtot machen können! - Einer dieser Herren, der hierüber vernommen worden ist, Herr Rittmeister Müller-Hickler, hat folgendes ausgesagt: Rossbach habe als Zweck der Versammlung folgendes mitgeteilt - ich darf den Passus aus dem Protokoll verlesen -:

Der Minister des Innern beabsichtigt, mit dem 31. März eine Verordnung zu erlassen, nach der alle nationalgesinnten Vereine aufgelöst werden. Minister Severing will damit jede Möglichkeit zerschlagen, einen Freiheitskrieg gegen die Franzosen führen zu können. Die nationalen Vereine sind nämlich der Grundstock für die Bildung von Freiwilligenregimentern für diesen Krieg.

(Hört! Hört! Bei den Vereinigten Sozialdemokraten und bei den Kommunisten.)

Wir halten es daher für unsere Pflicht. Dieser Verfügung des Herrn Ministers nicht nachzukommen.

(Lebhafte Rufe links: Hört! Hört!)

Sollte die Regierung unsere Auflösung erzwingen wollen, muß es zum offenen Entscheidungskampf zwischen uns und den linksgerichteten Vereinen und Organisationen kommen.

(Lebhafte Rufe bei den Vereinigten Sozialdemokraten und bei den Kommunisten: Hört! Hört!)

- "Zum offenen Entscheidungskampf zwischen uns und den linksgerichteten Organisationen!"

Daß auch diese sich darauf vorbereiten, zeigen die wieder von neuem auftauchenden, vor aller Welt unbelästigt übenden Arbeiterbataillone in Thüringen. Wir möchten, daß in diesem Kampf sich die Reichswehr unter moralischer Unterstützung der nationaldenkenden Vereine neutral hält. Um ihr dies zu ermöglichen, wollen wir jetzt schon unsere Ziele und Pläne in sie hineintragen und damit gleichzeitig verhindern, daß die Truppe wieder wie im November 1918 plötzlich von einer Revolution überrascht wird.

(Hört! Hört! Und Lachen bei den Kommunisten und bei den Vereinigten Sozialdemokraten.)

Dies Ihnen mitzuteilen, ist der Hauptgrund, weswegen die heutige Versammlung einberufen wurde.

(Zuruf von den Vereinigten Sozialdemokraten: Die "Geburtstagsfeier!")

Dann wird hinzugefügt:
Mit der Offenheit, mit der ich Ihnen unsere Pläne mitgeteilt habe, ist der Reichskanzler Cuno von diesen unterrichtet worden,

(hört! hört! bei den Vereinigten Sozialdemokraten und bei den Kommunisten)

desgleichen General v. Seeckt.

(Hört! Hört! bei den Vereinigten Sozialdemokraten und bei den Kommunisten.)

Beide Herren verhielten sich unseren Plänen gegenüber kühl und distanziert.

(hört! hört! bei den Deutschen Demokraten. - und links.)

- "kühl und interesselos", meine Herren!


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