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Antrag Bruhn in der Form und nach dem Inhalt, wie er uns vorgelegt worden ist, sich aus innerpolitischen und außerpolitischen
Gründen nicht zur Annahme eignet. Deswegen werden wir gegen diesen Antrag stimmen.
Vizepräsident Dittmann: Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Bartz (Hannover). 11
Bartz, Abgeordneter: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war zweifellos sehr interessant, die Ausführungen des
Herrn Kollegen Bruhn hier im Hause entgegenzunehmen, der so sehr entrüstet war über Schlemmerei und Glücksspiel
und dergleichen. Es hat dies noch einen pikanten Beigeschmack aus dem Grunde, weil Herr Bruhn bekanntlich der Herausgeber
der "Wahrheit" ist. Herr Bruhn weiß, daß in seinem Blatte fast nicht ein einziges Inserat zu finden ist, das nicht zum
Besuch von Glücksspiellokalen und Schlemmerlokalen animiert.
(Lebhafte Rufe auf der äußersten Linken: Hört! Hört!
- Abgeordneter Bruhn: das ist nicht wahr!)
- Herr Bruhn als Vertreter der "Wahrheit" bestreitet das. Er zwingt mich demzufolge, den Beweis für meine Behauptung zu erbringen. -
Ich habe hier vor mir die neueste Nummer der "Wahrheit", die Nummer vom 24. Februar. In dieser Nummer steht aber an der Spitze
unter den Inseraten "Kasino Zoppot, Baccarat, Roulette".
(Abgeordneter Bruhn: das ist doch staatlich genehmigt. - Lautes Lachen links.)
- Wollen Sie damit sagen, daß Ihre Entrüstung sich nur gegen die Spiele wendet, die nicht behördlich genehmigt sind, oder wollen
Sie, daß Ihre Entrüstung als ehrlich gemeint gewertet werden soll? Wenn das letztere der Fall ist, dann müssen Sie sich gegen jede
Förderung des Glückspiels wenden, gleichviel, in welcher Form es uns entgegentritt.
(lebhafte Zustimmung links.)
In der Nummer der "Wahrheit" finde ich weiter folgende Inserate: "Pavillon Mascotte im Metropolpalast. Eintritt nur im
Gesellschaftsanzug", weiter "Faun, das Weinrestaurant großen Stils", "Mercedespalast, vornehmstes Unterhaltungsrestau-rant", Admiralsvariété ".
(Lebhafte Rufe links: Hört! Hört!)
So steht ein Inserat nach dem anderen in der "Wahrheit", die dem Vorschub leisten, was Sie, Herr Abgeordneter Bruhn, hier mit Worten bekämpfen wollen.
(Sehr richtig! links. )
Ich lege die Zeitung auf den Tisch des Hauses nieder. Die Herren Kollegen können sich selbst davon überzeugen, was von den
Worten des Herrn Bruhn zu halten ist. Diese Inserate sind Tatsachen, die zweifellos deutlicher sprechen als die Worte des Herrn Bruhn.
(Sehr wahr! links. - Abgeordneter Bruhn: Ihr habt in Euren Blättern dieselben Inserate! - Lautes Lachen und Zurufe links: Wo denn? -
Abgeordneter Hoffmann [Berlin]: Wer annonciert bei uns: "Eintritt 600.000 Mark"? Wer ist so dumm, das in Arbeiterblättern zu inserieren? - Abgeordneter
Simon: Non olet, Herr Kollege Bruhn! - Heiterkeit.)
11S. 9774A
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Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, mich in die Debatte auf allzu viel Einzelheiten einzulassen; aber der
Kollege Bruhns zwingt mich doch, etwas näher auf das einzugehen, was er sagte. Die Herren Kollegen Bruhn, Hergt und Genossen
haben den Antrag eingebracht, für die Unterbringung der Reichsangehörigen Wohnungen zu beschlagnahmen, die von Ostjuden
bewohnt werden, sofern sie seit dem 1. Januar 1919 sich in Deutschland aufhalten. Ja, Herr Kollege Bruhn, selbst zugegeben,
daß der Antrag eine gewisse Berechtigung hätte, glauben Sie, damit der Wohnungsnot irgendwie steuern zu können? Wissen Sie
nicht, Herr Kollege Bruhn, daß Hunderttausende, daß Millionen Deutscher mindestens ebenso schändlich am deutschen Volke
handeln wie die Leute, die Sie hier prangern und brandmarken, gegen die Sie ein Sondergesetz schaffen wollen?
(Sehr wahr! links. - Abgeordneter Bruhn: Zunächst sind das aber Deutsche, und das hier sind Ausländer!)
- Es ist schlimmer, Herr Kollege Bruhn, wenn Deutsche von deutschen Volksgenossen bewuchert werden, als wenn das Fremde tun.
(Lebhafte Zustimmung links.)
Es gibt Millionen und aber Millionen deutscher Volksgenossen, die Ihren Kreisen angehören, die das tun.
(Widerspruch bei den Deutschnationalen.)
- Soll ich sie mit Namen aufführen? Meinen Sie, daß ich die Millionen Namen derer kenne, die sich an dem Elend des deutschen
Volkes bereichern, die das deutsche Volk bewuchern, die die Paläste und Villen bewohnen, während Millionen und aber Millionen
deutscher Volksgenossen nicht wissen, wo sie schlafen sollen, während Millionen und aber Millionen in Löchern hausen, die nicht
als Wohnräume anzusprechen sind? Nein, nein! Keine künstliche Entrüstung! Wir wollen das Wohnungsproblem nicht unter Herausgreifen
einer Einzelfrage, nicht durch Schaffung von Sondergesetzen gegen bestimmte Kreise zu lösen versuchen. Der Mißstände sind nur zu
viele, ja man darf sagen: die gesamte deutsche Politik, das ganze deutsche Wirtschaftsleben dieser Zeit ist ein einziger großer
Missstand. Nicht durch Sondergesetze gegen einzelne wollen wir helfen, sondern wir wollen generell alle jene treffen, die sich am
Volkswohl, an der Volksgesundheit, an der Volksernährung versündigt und vergangen haben.
(Lebhafte Zustimmung links.)
Dazu soll nun dieses Gesetz dienen, dem die Regierung den Namen "Notgesetz" gegeben hat. Im Ausschuß entbrannte schon
darüber ein Streit, was unter dem begriff "Notgesetz" verstanden werden solle. Die Regierung glaubte, sich dahin entscheiden
zu müssen, daß aus Anlaß der durch die Ruhrbesetzung geschaffenen Zustände, also aus Anlaß der Verschärfung der Notlage,
besondere Maßnahmen ergriffen werden sollten. Die Regierung vertrat diesen Standpunkt auch im Ausschuß, und die Mehrheit
hat sich diesem Standpunkt zueigen gemacht. Wenn wir ein Notgesetz schaffen wollen, dann bedurfte es nicht erst des
äußeren Anstoßes, der durch die Besetzung des Ruhrgebiets gegeben wurde, sondern dann wäre es Pflicht der Regierung und der sie
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