1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 280

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gemeldet werden. Eine Tauschwohnung können wir Ihnen nicht zur Verfügung stellen.

(Zuruf links: Wie heißt der kommunistische Bürgermeister?)

- Er heißt Steiner, Herr Hoffmann!

(Zuruf links.)

- Ich bin schon informiert. - Denn es ist Ihr Genosse, Herr Dr. Löwenstein. Jedenfalls ist es einer aus dieser Ecke da.

(Zuruf links: Er heißt weder Steiner, noch ist er ein Kommunist, aber Sie sind ein Vertreter der Wahrheit!)

- Aber Herr Hoffmann, wenn Sie mich noch einmal "Vertreter der Wahrheit" nennen, werde ich Ihnen demnächst etwas von Juwelen, Brillanten und Perlen erzählen.

(Unruhe und Zurufe.)

Wir dürfen deshalb wohl erwarten, daß Sie sich die Sache noch einmal überlegen und unserem Antrage zustimmen, daß nicht nur in starken Worten, wie es im Abgeordnetenhaus geschehen ist, gegen die Ostjuden zu Felde gezogen wird, sondern auch die Entschlusskraft zur Tat aufgebracht wird. Damit Sie übrigens hören, daß auch ein Sozialist sich in dieser Frage im gleichen Sinne ausgesprochen hat, will ich Ihnen kurz mitteilen, was Herr Dr. August Müller darüber gesagt hat:

Man kann feststellen, daß Berlin offensichtlich eine besondere Anziehung auf bestimmte Typen aus Osteuropa ausübt. Mit einem Wort, jeder Eisenbahnzug aus Wien war angefüllt mit jenen Biedermännern, die der Italiener Haifisch, der Deutsche aber Schieber nennt.

Usw. Es sei deshalb nicht angezeigt, diesen Leuten Wohnung zu geben. Meine Damen und Herren! Der amerikanische Wohnungskommissar hat erklärt, jedes Land hätte seine eigenen Interessen wahrzunehmen, und deshalb sei es nicht angezeigt, diese große Zahl von Auswanderern bei sich aufzunehmen. Es ist behauptet worden, Es ist behauptet worden, die Ostjuden befänden sich auf der Wanderung und zögen nach Westen weiter. O nein, Deutschland ist der Kessel, in dem sie in ihrer Mehrheit bleiben, und deshalb müssen wir uns dagegen wenden, daß das nicht möglich ist. Durch das vorliegende Gesetz werden Deutsche, die jahrelang auf Wohnung warten, schwer getroffen; sie werden erneut zurückgesetzt. Da ist es mehr als recht, solchen Ausländern wie den Ostjuden, die sich in unser Volk schädlichster Weise in Deutschland betätigten, die von ihnen auf unrechtmäßigen Wegen erworbenen Wohnungsrechte zu nehmen. Noch ist es vielleicht Zeit. Zweifellos bedeuten die Ostjuden eine Gefahr für unser Volk und Vaterland, und wir dieser Gefahr begegnen will, soll einer solchen Maßnahme, wie sie in unserem Antrage liegt, zustimmen. Es geht um das Wohl unseres Volkes.

(Bravo! Bei den Deutschnationalen.)

Vizepräsident Dittmann: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bell.

Dr. Bell, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Den Ausführungen, die ich als Berichterstatter vor Ihnen zu machen die Ehre hatte, habe ich namens meiner Fraktion nur wenige Bemerkungen hinzuzufügen.


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Während wir im Reichsausschusse gewiß über manche Dinge unserer widerstreitenden Meinungen sachlich zum Ausdruck brachten, glaube ich doch namens meiner Fraktion auch die erfreuliche Tatsache feststellen zu sollen, daß in den wichtigsten Fragen, besonders soweit es sich um die Bekämpfung des Wuchers und der Auswüchse des Wirtschaftslebens handelte, eine weitgehende Einigung aller Parteien zutage trat. Es stellte sich heraus, daß auf allen Seiten der aufrichtige und ehrliche Wunsch vorhanden war, diesen gemein-schädlichen Auswüchsen mit allem Nachdruck entgegenzutreten. Es handelt sich zunächst um Art. I der sich mit den Gast- und Schankwirtschaften befasst. Wir haben in den letzten Tagen aus Zeitungsnachrichten, schriftlichen Eingaben und mündlichen Berichten von Deputationen entnehmen müssen, daß im Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe eine Beunruhigung und Erregung Platz gegriffen hat wegen der Bestimmungen, die vom Ausschusse zum Art. I verabschiedet worden sind. Wir glauben, diesen Bedenken gegen unsere Beschlüsse mit Erfolg entgegentreten zu können. Keiner Partei ist es darum zu tun gewesen, irgendwie den ehrlichen Gastwirtschaftsbetrieb und die gewissenhaften Schankwirte zu beeinträchtigen. Wir sind aber aus zuverlässiger Kenntnis der bedauerlichen Tatsachen der Meinung, daß nicht etwa nur in Berlin, wie es zuweilen zum Ausdruck kommt, sondern auch in anderen Großstädten, ja selbst in mittleren und kleinen Städten, von Tag zu Tag schlimmere und unerträglichere Auswüchse des Wirtshausbetriebs in die Erscheinung treten, denen mit durchgreifenden Maßnahmen zu steuern wir gerade jetzt in den schweren Zeiten bitterster Volksnot wir für unsere unabweisbare vaterländische Pflicht erachten. Wenn wir dabei die Bestimmung aufgenommen haben, daß die Vorschriften der Gewerbeordnung auch Anwendung finden auf die geschlossenen Gesellschaften, so sind wir dabei von den Erwägungen ausgegangen, daß gerade in manchen geschlossenen Gesellschaften diese volksschädlichen Laster des Spiels, der Unzucht, derVöllerei und der Trunksucht sich noch schlimmer und gefährlicher geltend machen als in den offenen Schankbetrieben. Diese Auffassung war bei allen Parteien für die Ausschussbeschlüsse maßgebend, und wir glauben, auch in der Vollversammlung des Reichstags mit allem Nachdrucke nochmals betonen zu sollen, daß es wahrlich der Reichsnot und den schweren Sorgen, worin sich heute unsere Volksgenossen befinden, nicht entspricht, wenn von gewissen Schichten in solch unverantwortlicher Weise durch Leichtsinn und Verschwendung dem Inlande wie dem Auslande Ärgernis gegeben und namentlich den Ausländern ein völlig falsches Bild über die wahren Zustände unseres armen Vaterlandes gegeben wird.

Meine Damen und Herren! 10 Ich komme nun mit wenigen Worten auf den Antrag des Herrn Kollegen Bruhn und Genossen. Wir sind mit dem Herrn Kollegen Bruhn und mit anderen Parteien der Überzeugung, daß alles geschehen muß, um der schweren Wohnungsnot zu steuern. Wir sind aber, wie wir es auch im Ausschuß schon hervorgehoben haben, der Meinung, daß der


10S.9864A

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