1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zur Titelseite oder Zurück zur Homepage


Seite 272

A B

Frevelhafter Völkerrechtsbruch hat zur Besetzung deutschen Landes durch die französische Militärmacht geführt. Deutsche wirtschaftliche Unternehmungen sind angemaßter französischer Botmäßigkeit unterworfen worden. Die angebliche absichtliche Verfehlung Deutschlands ist nur ein Vorwand für die unerhörte Verletzung der deutschen Souveränität.

(Sehr richtig! In der Mitte und rechts.)

Schon die von Frankreich hierfür aufgewandten Mittel stehen in keinem Verhältnis zu den behaupteten Rückständen der deutschen Sachleistungen.

(Sehr wahr! In der Mitte und rechts.)

Wir sehen in diesen Vorgängen nichts anderes als den brutalen Versuch der Ausführung lang gehegter französischer Ziele. Frankreich will das Rheinland von Deutschland losreißen und die Wirtschaft des Ruhrgebietes rauben. Gegen diese Vergewaltigung des deutschen Volkes, deutschen Bodens und deutscher Wirtschaft, gegen diesen Bruch geschriebener Verträge und ungeschriebener, aber deshalb ebenso bindender Moral rufen wir das deutsche Volk und die Gewissen der Völker zum Widerstand auf. Keine Bedrohung gibt Frankreich einen Entschuldigungsgrund für diesen Überfall und diesen Raubzug im deutschen Lande.

(Zustimmung in der Mitte und rechts.)

Deutschlands Vorschläge zur Lösung der Kriegsentschädigung auch nur anzuhören, hat es abgelehnt.

(Hört! Hört!)

Das von seinen Politikern und Wirtschaftlern wiederholt geforderte Zusammenwirken zwischen den beiderseitigen Bergwerksindustrien wurde ihm angeboten, von ihm aber nicht beachtet.

(Erneute Rufe: Hört! Hört!)

Die Garantie seiner angeblich von Deutschland bedrohten Grenzen galt ihm nichts, als Deutschland durch Vermittlung der größten Macht der Erde sie ihm antrug. Wer das Gold internationaler Anleihen, Vorteile seiner Wirtschaft und die stärkste internationale Garantie seiner Grenze so missachtet, wie es Frankreich in den letzten Wochen tat, hat das Recht verwirkt, Glauben zu finden, wenn er von friedlichen Missionen spricht.

(Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

Dasselbe gilt von der angeblichen Bereitwilligkeit Poincarés, jetzt mit Deutschland zu verhandeln, nachdem gerade Frankreich bei fast allen internationalen Konferenzen von Versailles an versucht oder durchgesetzt hat, Deutschland von allen Verhandlungen auszuschließen.

(Sehr richtig! In der Mitte und rechts.)

Frankreichs Ziel ist die Vernichtung Deutschlands.

(Sehr wahr! Bei den Deutschnationalen.)

Es hofft durch dauernde Besetzung deutschen Boden, durch unsere wirtschaftliche Erdrosselung die deutsche Einheit zu zerreißen oder das deutsche Volk zur Anerkennung seiner Maßnahmen zu zwingen. Das wird ihm nicht gelingen!


vorige

(Bravo! In der Mitte und rechts.)

Die Einheit des Reichs ist das hehre Ziel, das wir uns aus Krieg und Zusammenbruch für uns und für künftige Geschlechter gerettet haben. Je schwerer die Not uns alle bedrückt, um so treuer müssen und wollen wir zusammenhalten. Gegensätze des politischen Denkens und religiöser Empfindungen müssen zurück treten gegenüber dem trotz allem stolzen Gefühl, Deutscher zu sein und seinem Volkstum die Treue zu halten.

(Stürmisches Bravo rechts, in der Mitte und bei den Deutschen Demokraten.)

Über unser deutsches Volk werden schwere Zeiten kommen.6 Die Not dieses Winters kann ins Unerträgliche gesteigert werden. Wir werden das menschenmögliche tun, sie zu mildern. Die Initiative der Erzeuger und Verbraucher in Stadt und Land muß der Reichsregierung in Einmütigkeit, in Hochherzigkeit und starkem Mute zur Seite stehen. Alle Stände, vor allem Besitz und Arbeit, müssen die Opfer auf sich nehmen, die sich aus unserer Lage ergeben.

(Sehr gut! Rechts und in der Mitte.)

Damit verträgt sich nicht das Wohlleben kleiner, aber aufdringlicher Kreise.

(Sehr wahr! Rechts, in der Mitte und bei den Deutschen Demokraten.)

Vor aller Welt aber müssen wir es aussprechen, daß nur eine geringe Schicht gewissenloser Volksgenossen sich in solch pflichtvergessener Weise dem Ernste der Zeit verschließt. Dem Wohlleben weniger steht die Not und Verarmung breiter Volksschichten entgegen, die lawinenhaft anschwillt.

(Sehr wahr! Rechts, in der Mitte und bei den Deutschen Demokraten.)

Deutschlands ganzer Mittelstand, der für Staatsleben und Kultur bisher das Beste geleistet hat, droht zugrunde zu gehen.

(Sehr richtig! Rechts, in der Mitte und bei den Deutschen Demokraten.)

Schon heute kann die entsetzliche Not in Deutschland durch die bestgemeinten Almosen und durch die Hilfe des Staates nicht mehr abgewendet werden.

(Lebhafte Zustimmung rechts, in der Mitte und bei den Deutschen Demokraten.)

Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller (Franken).7

Müller, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Die Finanzsachverständigen der ganzen Welt - der Herr Reichskanzler hat schon darauf hingewiesen - haben auseinandergesetzt,8 daß wesentliche Reparationszahlungen nur zu erlangen sind, wenn es zur Konsolidierung der deutschen Wirtschaft kommt, wenn es möglich ist, auf dem Auslandsmarkt Anleihen zu placieren und dadurch


6S.9424A
7S.9424C
8S.9425B

nächste