|
Behauptung aufrechterhalten, wenn es Tatsache ist, daß die deutsche Regierung nicht nur durch Erklärungen, sondern auch durch
ihre Vorschläge und Maßnahmen die Lösung des Reparationsproblems in einer auch für Frankreich befriedigenden Weise selbst dann
noch zu betreiben bemüht war, nachdem durch das Urteil aller Sachverständigen der internationalen Finanzwelt wie der Sachverständigen der
Gläubigerstaaten und auch durch die Reparationskommission selbst die gegenwärtige Zahlungsunfähigkeit Deutschlands festgestellt war?
(Sehr gut!)
Es steht fest: Recht und Vertrag sind mit dem Einmarsch der fremden Truppen ins Ruhrgebiet gebrochen worden.
(Lebhafte Zustimmung. - Rufe von den Kommunisten: Das haben sie von euch gelernt! - Erregte Pfuirufe. - Glocke des Präsidenten.)
Präsident: Ich bitte um Ruhe!3
(Erregte Rufe bei den Kommunisten. Gegenrufe rechts. Erregung und große Unruhe.)
Ich bitte um Ruhe!
Dr. Cuno, Reichskanzler: Gegen die Gewalt, die hiermit einem wehrlosen Volke angetan wird, erhebt die deutsche Regierung
vor der ganzen Welt feierlichen Protest.
(Stürmisches Bravo.)
Sie kann sich gegen diese Gewalt nicht wehren. Sie ist aber nicht gewillt, sich dem Friedensbruch zu fügen oder gar, wie ihr
angesonnen wird, bei der Durchführung der französischen Absichten mitzuwirken.
(Erneute stürmische Zustimmung.)
Sie weist diese Zumutung zurück. Die Verantwortung für die entstehenden Folgen fällt allein auf die Regierungen,
die den Einmarsch vollzogen haben.
(Lebhafte Zustimmung. Zurufe von den Kommunisten.)
Solange der vertragswidrige Zustand, geschaffen durch den gewaltsamen Eingriff in das Zentrum der deutschen Wirtschaft,
andauert und seine tatsächlichen Folgen nicht beseitigt sind, ist Deutschland nicht in der Lage, Leistungen an diejenigen
Mächte zu bewirken, die jenen Zustand herbeigeführt haben.
(Lebhafter Beifall.)
Den am Einmarsch nicht Beteiligten alliierten und den neutralen Regierungen haben wir unsere Auffassung mitgeteilt, den
Regierungen Frankreichs und Belgiens haben wir unseren Protest gegen den Rechtsbruch erklärt. Unsere Botschafter in Paris
und unser Gesandter in Brüssel sind zurückgezogen worden.
(Bravo!)
Es ist wenig, bitter wenig, meine Damen und Herren, was wir der Gewalttat äußerlich entgegensetzen können.
3S.9421C
vorige
|
(Sehr wahr! Rechts.)
Was wir ihr innerlich entgegensetzen können und müssen, ist mehr: Wille und Entschluß!
(Sehr gut!)
Wohl frage ich die anderen Glieder der Völkergesamtheit, ob sie sich Frieden für die Welt und Versöhnung erhoffen können, wenn
hier Gewalt über das Recht sieg, über das innere Recht eines Volke und über das Recht eines Vertrages, unter dem die Unterschriften
fast aller Staaten der Welt stehen.
(Sehr gut!)
Aber ich richte keinen Appell an sie. Denn ich weiß, daß mehr als jemals über den Geschicken der Völker und Nationen harte
Interessenfragen walten. Dürfen wir erwarten, daß die Zwangsläufigkeit wirtschaftlicher Entwicklungen über kurz oder lang zu einem
Wandel führen wird, ehe sich vielleicht ein Brand entzündet, der nicht nur Deutschland, sondern Europa bedroht?
(Sehr wahr! Bei den Deutschnationalen.)
Ich will und kann auf Einzelheiten nicht eingehen.4 Die zu treffenden Maßnahmen sind in Behandlung genommen; aber erinnern muß ich
an die kommende Not in diesem Augenblicke, weil wir klar sehen wollen. Es nutzt nichts, meine Damen und Herren, harte und starke
Worte zu sprechen und morgen zu klagen, daß Opfer und Bürde zu schwer seien. Dazu lassen Sie uns alle Kraft der Herzen und der
Hände unserem Volke und Vaterlande zuwenden, allen müßigen Streit begraben, diesem deutschen Staat uns jetzt in seiner Not erst
recht vorbehaltlos zu eigen geben,
(sehr richtig!)
die Ehre der deutschen Republik wachsam bewahren als die Ehre eines einigen Volkes.
(Lebhaftes Bravo.)
Zu festester Einigung aller Schichten unseres Volkes, zu innigster Gemeinsamkeit mit dem Staat, zur Weckung aller tiefen, offenen
und verschütteten, sittlichen und religiösen Kräfte ruft uns die Stunde.
(Lebhaftes Bravo.)
Die Reichsregierung ist bereit, diesen Weg zu gehen und zu führen.
(Erneutes lebhaftes Bravo.)
Präsident: In der Besprechung der Erklärung der Regierung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Stresemann.5
Dr. Stresemann: Abgeordneter: Unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse haben die Fraktionen des Zentrums, der Deutschnationalen
Volkspartei der Deutschen Volkspartei, der Deutschen Demokratischen Partei, der Bayerischen Volkspartei sowie der Bayerische
Bauernbund und die Deutsch-Hannoversche Partei folgendes vor dem Lande und der Welt zu erklären:
4S.9422C
5S.9422D
nächste
|