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Wenn wir zum Beispiel seine Politik der Geduld und der Hoffnung, auf deren Wiese nach einem russischen Sprichwort viele
Narren weiden, so verspotten würden, wie Börne in seinem vierten Briefe aus Paris, in seinem "Gebet an die Geduld", eine
Politik der Geduld verspottet hat! Aber weit schlimmer noch als die Empfehlung von Börne als Vorbild der Kritik war die
Empfehlung von Heine. Ich greife ein einziges Beispiel heraus: "Deutschland, ein Winter-märchen". Hier zeigt Hammonia,
Hamburgs schützende Göttin, dem Dichter den Nachtstuhl Karls des Großen und fordert ihn auf, hineinzuschauen, damit er die
Zukunft Deutschlands sähe. Ich übergehe völlig die ekelhafte Schilderung dessen, was nun kommt, weil es jedem, der sein
Vaterland auch in seinen tiefsten Erniedrigungen liebt, abstößt und anekelt. Ich stelle nur fest, daß der Herr Reichskanzler
es durch seine Berufung auf Heine für zulässig erklärt hat, daß die Gestaltung der deutschen Zukunft unter seiner Führung in
solch ekelhafter Weise verspottet werden dürfe.
(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)
Der Herr Reichskanzler konnte allerdings leicht reden; denn er wußte ganz genau, daß sich niemand in unserer Presse findet,
der nicht bei dem großen Gedanken an Volk und Vaterland vor einer solchen Verunglimpfung seiner Heimat zurückschreckt. Hätte
der Herr Reichskanzler dieselbe Eigenschaft der Ehrerbietung vor Volk und Vaterland, dann hätte er sich niemals dazu
fortreißen lassen, Millionen deutscher Frauen und Männer als Feinde des Vaterlandes zu beschimpfen, dann hätte er sich niemals
so weit vergessen, sie mit dem mörderischen Ruf zu ächten: "Der Feind steht rechts!"
(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)
Wie soll denn bei solchen Widersprüchen in der Haltung des Herrn Reichskanzlers die Presse noch wissen, wo die Grenzen der berechtigten Kritik sind?
(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)
Riesengroß bleibt die Schuld der Parteien, die dem Herrn Reichskanzler auf seinem verderblichen Wege folgen. Aber keine von allen
versündigt sich so sehr am Wohle des deutschen Volkes wie die Sozialdemokratie, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, das deutsche Volk
zu den Höhen höchsten Glanzes zu führen. Nie klaffte verhängnisvoller der Widerspruch im Wesen der Sozialdemokratie, der Widerspruch
zwischen ihrem Programm und ihren Taten als in diesen Wochen.
(Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.)
Meine Damen und Herren! Wenn man schon die Mordtat aus einer gewissen Atmosphäre erklären will,9 so muß man den Gedanken
aus konsequent bis zu Ende denken, dann darf man nicht vergessen, daß eine mit Unheil geschwängerte Atmosphäre nicht über
reinem und gesundem Boden entsteht, sondern nur über stinkenden Sümpfen. Meine Damen und Herren! Nicht die Luft, die über
solchem Pfuhl sich bildet, ist die Quelle der Verderbnis, sondern der
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Sumpf, aus dem das Gift in die Lüfte steigt. Über diesen Sumpf sagt der Sozialdemokrat Winnig:
Ich habe die deutsche Revolution nur aus der Ferne beobachtet und ihre Nachwirkungen im besetzten Gebiet erlebt. Ich habe so
wenig wie die anderen Sozialdemokraten in meiner Nähe etwas Erhebendes und Großes an ihr gesehen, sondern sie nur als ein
furchtbares nationales Unglück und eine brennende Schmach empfunden.
(Hört! Hört! rechts.)
Die Revolution hat nicht einen großen erhebenden Zug. Pflichtvergessenheit, Schmutz und Schamlosigkeit, sittliche Verwilderung,
wachsendes Verbrechertum, das ging dem Zusammenbruch alles nationalen Haltes nebenher.
Diese Revolution, die der englische General Maurice als Dolchstoß in den Rücken des kämpfenden Heeres bezeichnet hat, ist nicht
etwa, wie man uns glauben machen möchte, als Naturereignis über uns gekommen; denn sonst hätte Herr Scheidemann nicht triumphierend
ausrufen können: Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt, sonst hätte Herr Ledebour nicht mit Stolz in das Reichstagshandbuch
in seiner Biographie schreiben können:
Sprach sich bereits während des Krieges für die Beseitigung der monarchischen Einrichtungen und für eine sozialistische Revolution
aus und wirke demgemäß mit bei der erfolgreichen Erhebung am 9. November 1918.
Aber die Revolution ist nicht allein der Sumpf, aus dem sich die Atmosphäre gebildet hat; es ist auch der Versailler Vertrag,
diese brennende Schmach des zwanzigsten Jahrhunderts; es ist der Lug und Trug der Feinde, mit denen sie die erhabenen Grundsätze,
für die sie angeblich kämpfen wollten, in den Schmutz gezogen haben.
(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)
Meine Damen und Herren! Für schwache Regierungen ist es charakteristisch, 10 daß sie sich immer da stark zeigen, wo maßvolle
Zurückhaltung am Platze ist, und immer da schwach, wo sie stark sein sollen. Das hat auch der abscheuliche Mord an Rathenau
gezeigt. Wenn irgendwann, so war jetzt größte Ruhe und Besonnenheit am Platze. Jeder Staatsmann, der seine Politik auf die
Lehren der Erfahrung stützt, weiß, daß es leicht ist, die Geister zu rufen, die verneinen, schwer sie wieder zu bannen.
Herr Dr. Wirth hat eine prächtige Gelegenheit versäumt, seinem toten Freund eine würdige Totenfeier zu veranstalten.
Er brauchte nur die Lehren der Geschichte zu verbinden mit einer Ehrung des Toten, die allen seinen Gedanken entsprochen
hätte. Von dem aber, was Herr Dr. Wirth tat, wenden sich die Manen Rathenaus ab, wie seine greise Mutter entsetzt sich abwandte, als sie von dem
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