1. Reichstag, Weimarer Republik


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war ganz unmöglich. Dieser psychologischen Wirkung mussten sich Ludendorff und Hindenburg bewusst sein. Sie mussten sich aber auch bewusst sein, daß durch dieses plötzliche Zwingen der Regierung zu einem Waffenstillstands- und Friedensangebot die Lage Deutschlands der Entente gegenüber hoffnungslos wurde.

(Sehr richtig! links.)

Das sagte ich auch Prinz Max von Baden. Damals entstand in unserer Partei ein schwerer Kampf darüber, ob wir unter diesen Umständen noch in die Regierung eintreten sollen, nachdem die Oberste Heeresleitung vor allem Volk und vor der Welt den Bankrott unserer Kriegsführung anzukündigen entschlossen war. Sollten wir jetzt nicht denen, die den Bankrott herbeigeführt hatten, es auch überlassen, nun das Weitere auf sich zu nehmen? Wir entschlossen uns nach schweren Kämpfen in der Fraktion, doch in die Regierung einzutreten. Warum? Weil wir sagten: wenn wir das jetzt nicht tun, wenn wir Sozialdemokraten jetzt zurückspringen, dann ist alles Vertrauen im Volke verloren; dann ist jede Möglichkeit, überhaupt noch eine Regierung zustande zu bringen, vorbei; dann liegt Deutschland in Stücke zerbrochen am Boden. Darum wollen wir es auf uns nehmen. Vom Standpunkte der Parteipolitik hätten wir es leichter gehabt und klüger getan, wir hätten es den Männern, die die ganze Verantwortung an dem Zusammenbruch zu tragen haben, überlassen, nun auch das niedergebrochene Volk in dem daraus entstehenden wilden Chaos zu betreuen. Was antwortete nun Hindenburg auf die Bedenken, die der Prinz Max von Baden ihm zum Ausdruck brachte? Prinz Max von Baden wollte unter diesen Umständen anfangs selbst die Regierung gar nicht mehr übernehmen. Denn der Plan seiner Politik war gewesen, zunächst einmal eine Regierung zu bilden aus Vertrauensmännern der Volksvertretung, dadurch die innere wankende Stimmung zu festigen und auch die Armee moralisch so zu festigen, daß man dann vielleicht noch vier Wochen in einer günstigeren Situation mit einem Angebot auf Verständigungsfrieden vorgehen könne. Das war seine Absicht. Nun wollte er selber wieder zurücktreten. Er telegraphierte am 3. Oktober an die Oberste Heeresleitung, legte ihr eine Reihe Fragen vor, darunter folgende:

3. Ist die militärische Lago so kritisch, daß sofort eine Aktion mit dem Ziel: Waffenstillstand und Frieden, eingeleitet werden muß?
4. Für den Fall, daß Frage 3 bejaht wird: Ist die Oberste Heeresleitung sich bewusst, daß die Einleitung einer Friedensaktion unter dem Druck der militärischen Zwangslage zum Verluste deutscher Kolonien und deutschen Gebietes, namentlich Elsaß-Lothringens und rein polnischer Kreise der östlichen Provinzen führen kann?

Er wies also auf den ganzen Ernst der Situation hin. Und was antwortete darauf Hindenburg? Und dies ist das Dokument, das schlägt allen denen, die mit der


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Schuldlüge gegen die Heimatbevölkerung und gegen die Republik arbeiten wollen, diese Waffe glattweg aus der Hand:

Großes Hauptquartier, den 3. Oktober 1918. Die Oberste Heeresleitung bleibt auf ihrer am Sonntag, den 28. September d. J. gestellten Forderung der sofortigen Herausgabe des Friedensangebots an unsere Feinde bestehen.

(Hört! Hört! links.)

Warum? Etwa weil die Heimat der Armee in den Rücken gefallen sei? Hören wir, welche Gründe Hindenburg anführt:

Infolge des Zusammenbruchs der mazedonischen Front, der dadurch notwendig gewordenen Schwächung unserer Westreserven und infolge der Unmöglichkeit, die in den Schlachten der letzten Tage eingetretenen sehr erheblichen Verluste zu ergänzen,

(hört! hört! links)

besteht nach menschlichem Ermessen keine Aussicht mehr dem Feinde den Frieden aufzuzwingen.

(Hört! Hört! links.)

Der Gegner seinerseits führt ständig neue frische Reserven in die Schlacht.

(Hört! Hört! links.)

Noch steht das deutsche Heer fest gefügt - -

(Zuruf rechts: Also! - Heiterkeit und Zurufe links.)

Na also, sagen Sie? Ich denke, die Heimat soll ihm in den Rücken gefallen sein, einen "Dolchstoß" ausgeführt haben? Und trotz des angeblichen "Dolchstoßes", Herr Abgeordneter Berndt, sagt Hindenburg:

Noch steht das deutsche Heer fest gefügt und wehrt siegreich alle Angriffe ab.

(Zuruf links: Das versteht er nicht! - Heiterkeit links. - Zuruf rechts: Aber Hindenburg hat es verstanden! Gegenrufe links.)

- Ich werde den nötigen Schluß schon ziehen.

Die Lage verschärft sich aber täglich und kann die Oberste Heeresleitung zu schwerwiegenden Entschlüssen bringen. Unter diesen Umständen ist es geboten, den Kampf abzubrechen, um dem deutschen Volke und seinen Verbündeten nutzlose Opfer zu ersparen.

(Hört! Hört! links.)

Jeder versäumte Tag kostet Tausenden von Soldaten das Leben.

(Hört! Hört! links.)

Das waren die Gründe, weshalb das Signal gegeben wurde: Wir sind besiegt, gebt uns binnen 24 Stunden Waffenstillstand und Frieden.

(Zuruf links: Na also, Herr Berndt!)

Und nun, meine Herren, die Gründe, die Hindenburg angibt, noch einmal: Erstens Schwächung der Ostfront. Was war geschehen? Die Entente hatte die Hintertür, wo sie seit anderthalb Jahren ein Schach dem König angesagt hatte, nördlich von Saloniki aufgetreten und hatte die Lebensader der ganzen


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