1. Reichstag, Weimarer Republik


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- Jawohl! Die Sache ist damit erledigt. Ich bitte den Herrn Redner fortzufahren.

Cuno, Abgeordneter: Meine Damen und Herren, ich wollte Ihnen mit den letzten Worten - - (

Wiederholte erregte Zurufe und große Unruhe links. - Gegenrufe rechts. - Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dr. Bell: Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ruhe. Es entspricht doch nicht der Ordnung und der Würde des Hauses, solche Zwischenrufe zu machen. Meine Bemerkung an die Tribüne war von einer nicht mißzuverstehenden Deutlichkeit, die keinen Zweifel aufkommen ließ. Ich habe mit aller Entschiedenheit Veranlassung genommen, daß diejenigen, die die Ordnung gestört haben, von der Tribüne entfernt wurden. Ich bitte aber nunmehr, Ruhe zu bewahren und sich auf die Plätze zu begeben.

Cuno, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie daran erinnern, daß Mac Mahon im Jahre 1870 bei Sedan unter Napoleon III. die schwerste Niederlage erlitten hatte und in der französischen Republik zur Höchsten Ehre gelangt ist.

(Sehr wahr! rechts. - Zurufe links: Durch die Monarchisten in die Republik.)

In der deutschen Republik aber darf man unsere Helden überall beschimpfen.

(Lebhafte Rufe rechts: Leider!)

Ich will Ihnen noch einen weiteren Zeugen dafür nennen, wie man über Hindenburg denkt, nämlich den Herren Kollegen Lübbring, der im Kreise seiner Parteifreunde gesagt hat, Hindenburg werde auch von einem großen Teile der Arbeiter für den Befreier Ostpreußens und für eine völlig unpolitische Persönlichkeit gehalten.

(Lebhafte Rufe rechts: Hört! Hört! - Rufe links: Was wollen Sie denn? Unpolitisch allerdings, er versteht von Politik gar nichts!)

Meine Damen und Herren! Wenige von Ihnen haben ja eine Ahnung davon, was Ostpreußens Bevölkerung erduldet und gelitten hat.

(Lebhafte Zustimmung rechts. - Einige Tribünenbesucher verlassen die Tribüne. - Rufe links [zur Tribüne]: Raus! - Zurufe rechts: Das ist doch unerhört, Herr Präsident! - Große Unruhe. - Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dr. Bell: Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, doch Platz zu nehmen. Lassen Sie den Redner ruhig aussprechen! Ich bitte den Herrn Redner fortzufahren.

Cuno, Abgeordneter: Wenn Sie die Leiden Ostpreußens kennen würden, dann würden Sie unsere Empfindungen anders einschätzen. Haben Sie denn die endlosen Flüchtlingszüge damals in Ostpreußen gesehen, die sich Tag und nacht westwärts auf die Weichsel zu bewegten? Haben Sie sie kennengelernt?

(Zuruf links: Was hat das damit zu tun?)

Wer das Elend gesehen hat,


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(Zuruf links: das haben wir alle gesehen!)

der weiß, daß er in Hindenburg für immer den Befreier Ostpreußens aus tiefster Not zu erblicken hat. Mit diesen Empfindungen hat Ostpreußen Hindenburg begrüßt.

(Wiederholte Zurufe links. - Große Unruhe. - Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dr. Bell: Meine Damen und Herren! Wenn schon Zwischenrufe gemacht werden sollen, dann müssen sie sich wenigstens in parlamentarischen Grenzen halten. Es wird dringend ratsam sein, daß die Zwischenrufe auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden. Ich bitte den Herrn Redner, fortzufahren.

Cuno, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Wer Hindenburg selbst in jenen Tagen gesehen und gesprochen hat, wer das Glück gehabt hat, ihm die Hand zu drücken, der wird das nicht vergessen. Ein 75jähriger Mann, ein alter Handwerksmeister, kam damals zu mir und sagte: jetzt habe ich ihn gesehen, jetzt habe ich ihn gesprochen, jetzt kann ich ruhig sterben.

(Lautes Lachen und Zurufe links.)

- Aber, meine Herren (nach links), Sie erzählen uns ja oft ganz andere Dinge.

(Zuruf links: Wir sind doch nicht in der Nachmittagsschule!)

- Überlassen Sie nur mir, zu bestimmen, was ich reden will.

(Zurufe links: Gehen Sie doch zu den Kriegervereinen! - Zurufe rechts: Lassen Sie den Redner doch sprechen! - Glocke.)

Vizepräsident Dr. Bell: Ich möchte doch dringend bitten, die Zurufe nunmehr zu unterlassen. Jeder Redner des Hauses hat das Recht, von dieser Stelle aus zu sprechen.

(Zuruf auf der äußersten Linken.)

- Herr Abgeordneter, ob der Redner zur Sache spricht, hat allein der Präsident zu entscheiden. Wenn der Redner nicht zur Sache spricht, werde ich ihn selbstverständlich zur Sache rufe. - Ich bitte den Redner, fortzufahren.

Cuno, Abgeordneter: Lesen Sie doch nur die Reden nach, die in jenen Tagen gehalten sind, ob dort irgendwo ein Wort von Politik vorkommt. Ich möchte Ihnen nur kurz sagen, was der katholische Geistliche Kurt Stoff gesagt hat.

(Abgeordneter Kuhnt: Was hat denn die alte Frau gesagt? - Große Unruhe und erregte Zurufe rechts.)

- Die müssen Sie fragen! - Er hat gesprochen, - -

(Andauernde Zwischenrufe links.)

Meine Damen und Herren (nach links)! Es ist eigenartig; wir haben Sie stundenlang ruhig angehört, und Sie können nicht eine halbe Stunde uns ruhig anhören.

(Zustimmung rechts. - Zurufe von der äußersten Linken: Wir haben Stresemann angehört!)

- Nicht jeder kann ein Stresemann sein!


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