1. Reichstag, Weimarer Republik


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und einer auf die Studentenschaft am Schloßteich. In beiden Fällen aber haben die Angreifer so mörderischer Keile bekommen,

(lebhaftes Bravo rechts)

daß sie keine Anzeige gemacht haben, und auch keinerlei Beschwerde eingelegt haben.

(Sehr gut! bei der Deutschen Volkspartei.)

Dann wird sehr viel von der so genannten Kinderparade gesprochen. Die Kinder wollte man nicht in das vieltausendköpfige Gedränge hineinschicken. Die Kinder wollten aber doch den Feldmarschall Hindenburg gern sehen. Da hat die "Rote Fahne" an alle Arbeiterkinder folgenden Aufruf erlassen:

Am 11. Juni vormittags kommt der General Hindenburg nach Königsberg. Ihr seid in den Schulen gefragt worden, ob ihr ihn sehen wollt. Man hat euch erzählt, daß Hindenburg der Befreier Ostpreußens ist. Doch das ist eine Lüge.

(Rufe rechts: Pfui! Unglaublich!)

Nicht Hindenburg hat die russischen Soldaten 1914 herausgedrängt, das haben eure Väter und großen Brüder getan,

(sehr richtig! links; Zuruf rechts: Ohne Führung!?)

von denen Tausende deshalb tot unter der Erde liegen. Hindenburg und seine Offiziere haben ihnen Waffen und Munition gegeben, haben eure Väter und Brüder eingedrillt und ihnen befohlen, in die Schlacht zu ziehen. Dort mussten sie auf andere Arbeiter und Väter schießen und sie ermorden und sich selbst morden oder zum Krüppel schießen lassen. Hindenburg und sein Krieg haben Schuld daran, daß soviel Kriegswaisen im Lande sind und hungern müssen. Und diesen Hindenburg wollen wir ehren? Den sollen wir bewundern? Nein, kein Arbeiterkind darf am Sonntag nach dem Königsberger Tiergarten gehen. Alle Arbeiterkinder müssen einig sein in dem Rufe: nieder mit Hindenburg!

(Lebhafte Pfui-Rufe rechts.)

Das ist die Antwort darauf, daß Tausende von Kindern in der Schule gebeten hatten, man möge ihnen Gelegenheit geben, Hindenburg zu sehen. Dennoch haben sie sich auf dem freien Platz aufgestellt; es ist nichts passiert. Hell haben die Augen der Kinder geleuchtet; Sie hätten sie heimkehren sehen sollen!

(Zurufe rechts.)

Unendlicher Jubel hat Hindenburg begrüßt. Wer diese Veranstaltung verurteilt, der kennt nicht die Seele eines Kindes.

(Sehr wahr! rechts.)

Heldenverehrung liegt den Germanen im Blut.

(Sehr wahr! rechts.)

Wie wir uns einst auf der Schule begeistert haben, - auch Sie Herr Kollege Heydmann -

(Abgeordneter Heydmann: Für das Massenmorden?)

für die Heldentaten der Hellenen, so verehren wir auch unsere Helden. Wer kann von uns verlangen, daß


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wir einen Friedrich den Großen, einen Blücher, einen Bismarck, einen Moltke und wie sie alle heißen mögen, vergessen? Und was ist demgegenüber uns allen Hindenburg? Einmal der große Schlachtendenker, dann aber - und das paßt vielen nicht in den Kram - war er auch nach dem Zusammenbruch der Mann der treuesten Pflichterfüllung bis zum letzten Tage.

(Sehr wahr! rechts.)

So mancher Kommunist und Bolschewist hatte gehofft, eine rote Armee zurückfluten zu sehen, und es kam eine geordnete Armee zurück. Darum der Haß gegen diesen Mann.

(Lautes Lachen links. - Zuruf von den Unab- hängigen Sozialdemokraten: Wer hat das geschrieben?)

- Ich werde Ihnen sofort sagen, wer das geschrieben hat, Herr Kollege Breitscheid. Ich will Sie nämlich erinnern an die Worte, die 1918 der Herr Reichspräsident Ebert zu Hindenburg gesprochen hat: Ich benutze diese Gelegenheit, um ihnen für Ihre dem Vaterlande während des Krieges und in der jetzigen Zeit unter großer Aufopferung geleisteten Dienst den unauslöschlichen Dank des deutschen Volkes auszusprechen.

(Hört! Hört! rechts. - Zurufe links.)

Meine Herren, soweit ich den Herrn Reichspräsidenten beurteilen kann, würde er keinen Anstand nehmen, diese Worte heute zu wiederholen. Und nach solchen Worten wagt man, Ehrungen für einen solchen Mann parteipolitisch abzustempeln

(Zurufe links: Sie tun das ja!)

Meine Damen und Herren! Eins will ich Ihnen sagen: schämen müssen wir uns vor dem Auslande!

(Lebhafter Beifall rechts und Händeklatschen auf der Tribüne. - Großer Lärm links. Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dr. Bell: Ich möchte dringend ersuchen, die Beifallsbekundungen auf der Tribüne zu unterlassen.

(Andauernde große Unruhe und wiederholte erregte Zurufe links: Die Tribüne muß geräumt werden! Wir lassen uns diese Demonstration nicht gefallen!)

Ich ersuche die Diener, diejenigen, die Beifall geklatscht haben, von der Tribüne zu entfernen.

(Wiederholte stürmische Zurufe von den Sozialdemokraten: Die Tribüne muß geräumt werden! - Gegenrufe rechts: Wie war es denn am Sonnabend?)

Ich habe die Diener aufgefordert, die Betreffenden von der Tribüne zu entfernen. - Also ich bitte um Ruhe.

(Erneute große Unruhe und Rufe von links und rechts.)

- Ich bitte um Ruhe. -

(Andauernde Unruhe.)

- Meine Damen und Herren! Beruhigen Sie sich doch! Diejenigen, die Beifallsbekundungen haben ergehen lassen, sind bereits von der Tribüne entfernt worden. -

(Widerspruch und Rufe links: Nein!)


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