1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zur Titelseite oder Zurück zur Homepage


Seite 225

A B

(Lebhafte Rufe links: Sehr wahr!)

Um so mehr, weil wir uns darüber gar keine Täuschung hingeben, werden wir die Pflicht haben, gerade in diesen Zeiten auf dem Posten zu sein. Der gemeuchelte Minister Rathenau hat nicht zu uns gehört; er kam aus einer anderen Klasse der Gesellschaft, er ist in einem anderen Milieu aufgewachsen. Er war politisch unser Gegner.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Aber wir wollen nicht verkennen und das offen aussprechen, daß Rathenau auch als unser politischer Gegner durchaus unserer Achtung genossen hat.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Es war ein Mann, der von seinem Standpunkt aus bemüht war, das zu tun, was er nach seiner Auffassung im Interesse Deutschlands und im Interesse des deutschen Volkes für das Beste gehalten hat. Wir wollen ehrlich anerkennen, daß wir ihn, wenn er auch Gegner war, als Mensch und Charakter schätzen gelernt haben. Dieser Mann ist von feigen Bestien ermordet worden, und wenn Herr Hergt hier erklärt hat, zu unrecht sei eine Mitschuld der Deutschnationalen Partei behauptet worden, irgendeine Mitschuld dieser Partei könne nicht bewiesen werden, so ist das nichts als Spiegelfechterei.

(Sehr richtig! links.)

Die Beweisgründe liegen bergehoch, überall - man braucht sie nur zusammenzutragen und Ihnen vorhalten. Ich will Ihnen aus diesem sehr umfangreichen Material nur ein paar Stichproben geben, um Ihnen (nach rechts) für Ihre Mitschuld an allen ruchlosen Mordtaten, die sich gegen die Republik richten, den Beweis zu liefern. Ich erinnere an das Wulle - Blatt, 16 das hier schon gekennzeichnet worden ist, in dem Herr Wulle den Mut hat, nach dem Mord an Rathenau zu erklären, die Schuldigen wären diejenigen, die am 9. November die rechten Mächte gestürzt haben, und diejenigen, die hier als Ankläger und Richter auftreten, das wären in Wirklichkeit die Schuldigen. Das ganze "Deutsche Abendblatt" von gestern abend ist voll von Hohn und von neuen Beschimpfungen gegen alles, was sich gegen die monarchistische Reaktion auflehnt.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Ich erinnere an die "Tägliche Rundschau" die heute in einem Leitartikel schreibt, daß es Herr Helfferich darauf ankommen lassen wird, ob in diesem Saale - hier im Reichstag - sich die Verfassung oder die Kanaille stärker erweisen wird.

(Hört! Hört! links.)

Ich erinnere ferner an den Freispruch jenes Mordgesellen Killinger. Er ist einer der Mordgesellen, einer der Mitbeteiligten an dem Morde Erzbergers. Dieser Freispruch ist eine direkte Aufforderung zum


16 S. 8051A

vorige

Mord, zu weiteren Gewalttaten, eine Ermunterung, die auf Ihr Konto (zu den Deutschnationalen) kommt.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Ich erinnere ferner daran, daß, wie wir aus Offizierskreisen von Oberschlesien erfahren haben, Offiziere des dortigen Selbstschutzes erklärten: sobald Oberschlesien geräumt ist, wird die deutsche Regierung etwas erleben.

(Lebhafte Rufe links: Hört! Hört!)

Ich glaube 17 , daß diese wenigen Tatsachen einen durchaus schlüssigen Beweis dafür geben, daß die Deutschnationale Partei mit ihrem gesamten Anhang eine ausgesprochene Mörderorganisation ist.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Dieses Mordgelichter - - -

(Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dr. Rießer: Herr Abgeordneter Crispien, ich möchte Sie doch bitten, sich im Ausdruck zu mäßigen!

Crispien, Abgeordneter: Herr Präsident, ich spreche sehr maßvoll. Angesichts der ungeheuerlichen Ereignisse sind meine Worte viel zu schwach, um die ruchlosen Mordtaten so zu kennzeichnen, wie sie gekennzeichnet werden müssten.

(Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. - Einige Deutschnationale Abgeordnete verlassen den Saal.)

- Es ist Feigheit, es ist Ihr Schuldbewusstsein, das Sie aus diesem Saal hinauspeitscht!

(Lebhafte Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Daß die Mörder in der Hauptsache aus jener alten Offizierskaste stammen, darüber haben wir Beweise über Beweise in den Händen, und Beweise über Beweise kommen aus allen Prozessverfahren gegen reaktionäre Mörder. Es ist längst notorisch, daß aus reaktionärsten Offizierskreisen die meisten reaktionären Mörder stammen. Jene alte Offizierskaste, die für Mord und Brand gedrillt und erzogen worden ist, der jede Achtung vor Menschlichkeit, vor Menschenrechten planmäßig durch den Krückstock ausgetrieben wurde, diese Leute, die uns die alten Mächte hinterlassen haben, die als Offiziere keine Existenz mehr in der Republik finden, diese Herren suchen jetzt eben andere Betätigungsmöglichkeiten. Da sie nicht dem Massenmord gegen andere Völker frönen können, wüten sie mit Mordtaten gegen die eigenen Volksgenossen. Deshalb werden wir auch dafür zu sorgen haben, daß diesen Kreisen das Handwerk gelegt wird und daß sie überall dort ausgemerzt werden, wo man sie heute noch in Heer und Marine, in Justiz und Verwaltung finden kann.

(Lebhaftes Bravo bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)


17 S. 8051B

nächste