1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 224

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Ausnahmeverordnungen des Herrn Reichspräsidenten vom 24. Juni dieses Jahres indessen nicht.

(Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.)

Ihr ganzer Inhalt läßt ja die Absicht erkennen, daß ein Unterschied zwischen den deutschen Staatsbürgern je nach ihrer politischen Anschauung und insbesondere nach ihrer Stellung zur heutigen Staatsform gemacht werden soll. Wer die Umwälzung unserer Staatsordnung mit verfassungswidrigen Mitteln versucht, stellt sich dadurch selbst außerhalb der Rechtsordnung und hat deshalb keinen Anspruch auf ihren Schutz. Wer aber die Erreichung seiner politischen Ziele wie die Deutschnationale Volkspartei lediglich auf verfassungsmäßigem Wege erstrebt, kann verlangen, daß ihm der gleiche Schutz der Verfassung und der Gesetze wie allen anderen Staatsbürgern zuteil wird.

(Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.)

Verstärkt werden die Bedenken in dieser Richtung noch durch die Gefahr, daß der eingesetzte Staatsgerichtshof schon in seiner Zusammensetzung einen politischen Charakter erhält.

(Zurufe links.)

Die Deutschnationale Volkspartei ist der Auffassung, daß die vorgesehenen Verwaltungs-vollmachten wie die Strafbestimmungen, diese sowohl hinsichtlich der gleichmäßigen Behandlung völlig ungleichartiger Straftatbestände, wie hinsichtlich der Strafabmessung, die verfassungs-mäßige staatsbürgerliche Freiheit, insbesondere auch die Freiheit der Presse, in einer weit über jedes gerechtfertigte und erträgliche Maß hinausgehenden Weise einschränken.

(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)

Die in dieser Hinsicht gegebenen schweren Bedenken werden noch auf das äußerste durch die Dehnbarkeit der vorgeschlagenen Bestimmungen verschärft, die willkürlicher Anwendung Tür und Tor öffnen.

(Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.)

Wir müssen daher die Verordnung als ungerecht und mit dem Geist der Verfassung nicht vereinbar bekämpfen.

(Lebhafter Beifall bei den Deutschnationalen! - Rufe von der äußersten Linken: Pfui! Mordgesellen! Gipfel der Heuchelei!)

Präsident: Meine Damen und Herren! Es sind während der Rede des Herrn Abgeordneten Hergt eine so große Anzahl unparlamentarischer Zwischenrufe erfolgt, daß ich nicht in der Lage war, die Ordnungsmaßnahmen eintreten zu lassen, zu denen ich nach der Geschäftsordnung verpflichtet war. Das Wort hat der Reichsjustizminister. 14

Dr. Radbruch, Reichsjustizminister: Meine Damen und Herren! Ich habe folgendes zu erklären: Die Verordnung des Reichspräsidenten ist aus einer Notlage erwachsen, die durch Ausschreitungen


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und Kundgebungen rechtsradikaler Kreise entstanden ist.

(Sehr wahr! links.)

Irgendwelcher Anlaß zu Befürchtungen linksradikaler Ausschreitungen liegt nicht vor.

(Lachen bei den Deutschnationalen.)

Eine Verordnung, die sich auf bisher gar nicht vorliegende linksradikale Ausschreitungen mit erstrecken würde, würde mit dem Geist des Art. 48 der Reichsverfassung nicht in Einklang stehen, die eine bereits vorliegende erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung fordert. Besorgnisse der Arbeiterschaft, daß auch diese Verordnung zwar gegen den Rechtsradikalismus gerichtet sei, nachher nach links angewendet würde, sind völlig unbegründet.

(Widerspruch und Zurufe auf der äußersten Linken.)

Die Fassung "Gewalttaten gegen die republikanische Staatsform" ist nach eingehender Prüfung gewählt worden, um klarzustellen, daß rechtsradikale Gewalttaten gemeint sind.

(Bravo! links und in der Mitte.)

Gestatten Sie mir, noch eine zweite Bemerkung hinzuzufügen. Die lange Liste der ungesühnten Verbrechen gegen linksstehende Politiker läßt- das betone ich hier nicht zum ersten male - die von den sozialistischen Parteien längst geforderte Amnestie unerläßlich erscheinen.

(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Ich darf im Namen der Reichsregierung erklären, daß das Gesetz zum Schutz der Republik, das dem Reichstag alsbald zugehen wird, die politische Amnestie bringen wird, und ich gebe der festen Erwartung Ausdruck, daß sie durch weitgehende Amnestien der Länder ergänzt wird.

(Lebhafter Beifall links und in der Mitte. )

Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Crispien. 15

Crispien, Abgeordneter: Meine Damen und Herren. Wer dem Abgeordneten Hergt ins Gesicht geschaut hat, als er hier oben auf der Tribüne stand, hat deutlich das Kainszeichen der Mordschuld auf seiner Stirn sehen können.

(Sehr wahr! links.)

Er bekam es fertig, zu erklären, daß auch die Deutschnationale Fraktion mit Ausnahmezustand grundsätzlich einverstanden sei. Aber ihnen gefällt nicht die Art und Weise, wie diese jetzt erlassene Ausnahmeverordnung gedacht ist und durchgeführt werden soll. Wir verstehen sehr gut, daß die Deutschnationalen mit Ausnahmeverordnungen einverstanden sind, wenn sie sich gegen links richten. Wir wissen auch sehr gut, daß die Deutschnationalen Ausnahmeverordnungen, die sich selbst gegen sie richten, nicht so sehr zu fürchten brauchen, solange ihre Kreaturen in allen Stellen der Verwaltung, der Justiz und der Polizei im Reich und in den Ländern sitzen.


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