1. Reichstag, Weimarer Republik


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Diese Politik 32 ist notwendig, weil wir unseren Staat im Innern und nach außen erhalten müssen, und deshalb habe ich ausdrücklich auszusprechen: wenn wir diese Politik machen, wenn wir uns hinter die Verordnung des Reichspräsidenten stellen, so tun wir das, weil wir eine Handhabe gegen die Feme haben wollen, um Mord und derartige Kampfmittel aus dem politischem Kampf herauszunehmen. Ich verstehe nicht, wie ein so altes angesehenes Blatt wie die "Kreuzzeitung" heute die Überschrift bringen kann: "Ausnahmebestimmungen gegen nationale Kreise".

(Hört! Hört!)

Herr Kollege Schulz, sind das nationale Kreise, die solche Mittel des politischen Kampfes anwenden. Nein! Wir wenden diese Kampfmittel an gegenüber diejenigen, die in engster Einseitigkeit und Verblendung die deutschen Nation durch ihre Politik zugrunde richten, und wir tun es aus nationalen Gründen, um unsere Nation, unser Rech im Innern und nach außen aufrechtzuerhalten, wozu wir als Deutsche einfach verpflichtet sind. Wir werden zu erwägen haben, ob nicht die Besoldung der Beamten, die die Republik sabotieren und herabsetzen,

(bravo! bei den Deutschen Demokraten und links)

mit aller Rücksichtslosigkeit und aller Energie vorgenommen werden muß.

Vizepräsident Dittmann: das Wort hat der Herr Abgeordnete Koenen.

Koenen, Abgeordneter: 33 Werte Versammlung! Man kann wahrlich nicht behaupten, daß die Kommunistische Partei der politischen Tätigkeit des gestern durch feige, erbärmliche Meuchelmörder erschlagenen Minister irgendwie mit Anerkennung oder gar mit Dankbarkeit gegenüber gestanden hätte. Und doch geht auch durch die kommunistische Arbeiterschaft eine tiefe Erregung, eine ungeheure Erbitterung.

(Sehr wahr! bei den Kommunisten.)

Daß die kommunistischen Arbeiter, die so oft im offenen revolutionären Kampf gestanden haben, die sich mit Leib und Leben, unter Opfern ihrer ganzen Habe und ihres Familienlebens einsetzten für ihre politischen Ideale, nicht nur tiefen Abscheu, sondern auch die allergeringschätzigste Verachtung gegenüber den feigen, erbärmlichen Hunden empfinden, die fast schon einen kunstvollen Sport aus dem raffinierten, meuchelmörderischen Schlachten gemacht haben, ist selbstverständlich.

(Sehr wahr! bei den Kommunisten.)

Die heimtückischen, charakerlosen Meuchler sind in den Augen der Arbeiter um so erbärmlichere Wichte, als sie zu ihrer wahrhaft "deutschpatriotischen Heldentat" nur den niedrigen Mut aufbringen in dem sicheren Bewußtsein, daß die kapitalistischen Millionen, von denen der Reichskanzler sprach, ihnen zur Verfügung stehen, um ein sicheres Gelingen ihrer


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Bluttat und ein noch sichereres Verschwinden nach dieser Bluttat garantieren.

(Sehr gut! bei den Kommunisten.)

Aber34 nicht so sehr die monarchistisch -politischen Erwägungen sind es, die die Arbeiterschaft in Erregung bringen, vielmehr basiert diese Erregung auf der sozialen und politischen Erkenntnis, daß diese feigen Mordtaten sich letzten Endes gegen das um seinen Aufstieg ringende klassenbewußte Proletariat richten.

(Sehr gut! bei den Kommunisten.)

Die restlose Unterdrückung der Arbeitermassen, um sie hemmungslos und schonungslos ausbeuten zu können, ist das eigentliche Ziel der von Junkern und Kapitalistenmillionen ausgehaltenen Monarchistenbande.

(Zustimmung bei den Kommunisten.)

Werte Versammlung! Ich muß gleich zu Anfang sagen, daß alle Zusagen, die gestern in der großen Rede des Reichskanzlers gemacht wurden, nämlich, daß die Verordnung nicht gegen links angewendet wird, nicht zur Erfüllung gelangt sind.

(Sehr wahr! bei den Kommunisten.)

Schon bezüglich des ersten Paragraphen ist es ganz klar, daß jeder der heutigen Klassenrichter - und wir haben nur Klassenrichter, nur bürgerliche Richter -

(sehr gut! Bei den Kommunisten)

ihn gegen die Arbeiter anwenden kann. Jeder junkerliche Regierungspräsident, jeder bürgerliche Polizeipräsi-dent kann daraufhin jede kommunistische Versammlung verbieten. 35

(Sehr wahr! bei den Kommunisten.)

Er begeht dabei noch nicht einmal eine Vergewaltigung, sondern er legt nur nach altem juristischen Brauch diese Verordnung aus. Wir stellen aber weiter fest, 36 daß nicht nur die Anwendung der Verordnung gegen uns möglich ist, sondern daß auffällig niedrige Strafbestimmungen hineingebracht worden sind, damit, wenn wirklich diese Verordnung einmal gegen rechts angewendet werde, ja nur nicht zu arg den Herren ein Leid geschieht. Wäre diese Verordnung gegen Kommunisten gerichtet, dann hieße es in jeder Zeile: Zuchthaus bis zu 10 Jahren. Davon sind wir fest überzeugt; denn die Erfahrungen haben es uns ja gelehrt. Aber hier heißt es: Gefängnisstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, Geldstrafen von bis zu 500.000 Mark. Keiner der Herren von rechts wird je fünf Jahre ins Gefängnis kommen, keiner wird eine halbe Million Mark Geldstrafe zahlen. Ich möchte am Schluß 37 noch das Kapitel kurz behandeln, woher denn diese Orgesch - Banditen, diese militaristischen, monarchistischen Mörderbanden ihre Mittel haben, um ihren blutigen Sport so elegant, wie wir es jetzt wieder in der Königsallee erlebten, durchführen zu können. Es ist bekannt


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