1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 230

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Dr. Petersen, Abgeordneter:29 Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der verstorbene Minister Rathenau war uns ein verehrter und treuer Parteifreund, wir sagen ihm Dank als Partei und als Demokraten auch von dieser Stelle aus. Meine Damen und Herren! Er ist als deutscher Minister ermordet worden. Lassen Sie mich kurz sagen, was dieser deutsche Minister für deutsche nationale Politik im wirklichen Sinne geleistet hat. Gerade die Herren von der Rechten sollten einem solchen Manne Dank zollen. Ich erinnere an zwei Dinge im Kriege. Wer war der Mann, der die Rohstoffversorgung im Krieg in die Hand nahm, als gerade die Organe des von Ihnen (nach rechts) gepriesenen und beherrschten Staates in der wichtigen Frage der deutschen Kriegsvorbereitung versagt hatten?

(Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten und im Zentrum.)

Das war Rathenau. Und wer war der Mann, der, als alles zusammenbrach, noch mit tiefer, innerer Anteilnahme und Zähigkeit das letzte Aufgebot gefordert hat? - Das war Rathenau. Wer war der Mann, der nach dem völligen Zusammenbruch von Macht und Staat sich dem deutschen Volke zur Verfügung stellte, selbstlos, trotz aller sachlichen Schwierigkeiten, trotz gehässigster Verunglimpfungen seiner Person und seines Glaubens, als das Vaterland nach ihm rief? Rathenau!

(Sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten.)

Er ist für das ermordet worden, was er im Interesse des deutschen Volkes geleistet hat, als Minister der demokratischen Republik Deutschland.

(Sehr richtig! Bei den Deutschen Demokraten.)

Weshalb werden die Männer, dieser Staatsform dienen, so gehaßt und von Mördern verfolgt? Weshalb der erbitterte Kampf der Rechten gegen die deutsche Republik? Daß wir Demokraten an dieser Republik hängen ist selbstverständlich. Aber meine Damen und Herren, hat nicht das gesamte Volk, die monarchistischen Kreise eingeschlossen, dieser Staatsform zu danken? Als alles zusammengebrochen war, die Monarchen verjagt waren, rettete uns die demokratische Republik aus der Gewaltherrschaft der Arbeiter- und Soldatenräte und vor dem Bolschewismus! Bis weit in die deutschnationalen Kreise hinein, bis zur "Deutschen Tageszeitung" und "Kreuz-Zeitung" wurde es als Erlösung begrüßt, als die mehrheitssozialdemokratischen Volksbeauftragten zum Stimmzettel für die Wahl einer Nationalversammlung riefen, als sie diesen einzigen Weg deutschen Wiederaufbaus aus der Gewaltherrschaft des Proletariats wiesen. Dann hat, von Ihnen (nach rechts) mitgerufen, das deutsche Volk in seiner Mehrheit sich diese Verfassung gegeben. Sie sollten sich nach kaum drei Jahren in Dankbarkeit dessen erinnern, was die damals führenden Männer und was das deutsche Volk geleistet hat, um aus der Gewalt zum Recht zu kommen.


29S. 8062A

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(Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)

Meine Herren, diese demokratische Republik ist und bleibt innerpolitisch die einzige Möglichkeit, um zum Wiederaufbau zu kommen,

(sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten und bei den Sozialdemokraten.)

und diese demokratische Republik ist die einzige Grundlage, um mit der Welt wieder zum Frieden und zur Verständigung zu kommen.

(Sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten.)

Meine Damen und Herren! Nicht die Rede des Herrn Dr. Helfferich 30 hat unseren Freund Rathenau ermorden lassen, aber die Reden des Herrn Helfferich, derjenige Geist, der aus diesem Exponenten der deutschnationalen Politik in den letzten Monaten und Jahren gegenüber der Regierung und dem Staat hier gesprochen hat.

(Abg. Schulz: Soweit sind Sie nun auch schon!)

Wo blieben denn heute und bis heute, Herr Kollege Schulz die klaren Striche gegen Herrn Wulle und gegen diejenigen Kreise, die diese Dinge verschuldet haben?

(Sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten.)

Wo bleibt heute der Strich, wo bleibt heute die offizielle Erklärung Ihrer Partei gegen diese Kreise, deren Handeln Sie mitverantwortlich durch Ihre Haltung auf dem Gewissen haben. Ich frage Sie: wenn ein gewesener Minister und Staatssekretär, wenn ein Staatsmann wie Herr Helfferich, der uns hier ein erschütterndes Bekenntnis des eigenen Erlebens von der Schwierigkeit, Regierungsgeschäfte zu führen, gegeben hat, wenn ein solcher Mann eine solche Rede hält, wie er sie neulich gehalten hat: wie wirkt das auf die Gehirne der jungen Menschen, die in allen möglichen geheimen und nicht geheimen, antisemitischen, nationalistischen und monarchistischen Kreisen vereinigt sind?

(Lebhafte Zustimmung links und im Zentrum.)

Das mußten sich die Führer der Parteien klarmachen! Wenn diese furchtbaren Folgen dann eingetreten sind, dann nützt eine bedauernde Erklärung nichts mehr, sondern nur eins: eine absolute Abkehr von dieser Politik und eine Politik, die sich völlig der Notlage des Vaterlandes und den schwierigen Zeiten anpaßt. Das fordern wir von der sich ihrer Verantwortung bewußten Opposition. Gegenüber demjenigen, 31 was sich jetzt zeigt, daß aus dieser Politik der Oppositionsparteien eine Art Feme, die auf Mord gestellt ist, herausgewachsen ist, wäre es verantwortungslos, wenn wir nicht mit der Toleranz des Staates gegen derartige Bestrebungen Schluß machen.

(Sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten.)

Das ist eine einfache Notwehr gegen den Angriff, der gegen uns gerichtet ist.

(Erneute lebhafte Zustimmung bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten.)


30S. 8062B
31S. 8063C

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