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gelten für ruhige Zeiten. Zeiten, die politische Mordtaten wahnsinniger Art entstehen lassen, sind Ausnahmezeiten, und Ausnahmezuständen
muß man mit Ausnahmemaßnahmen begegnen.
Wir unterscheiden uns nur von manchen Mitgliedern dieses hohen Hauses darin, daß wir dauernd der Ansicht gewesen sind, daß auf
Ausnahmezustände Ausnahmemaßnahmen gehören und daß wir nicht erst heute nach Ausnahmemaßnahmen rufen.
(Zuruf von den Kommunisten: der
Sondergerichtsminister!)
- Sie verlangen doch jetzt auch Sondermaßnahmen und Sondergerichte!
(Zuruf von den Kommunisten: Wir verlangen
Ausräucherung des Saustalles! - Heiterkeit.)
- Es ist sehr die Frage, mit wem man da anfangen müßte.
(Heiterkeit.)
Eine weitausschauende Politik kann sich aber nicht mit Ausnahmemaßnahmen, mit Paragraphen begnügen, eine weitausschauende
Politik muß darauf ausgehen, die Atmosphäre zu ändern, aus der die Schreckenstaten entstehen.
(Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.)
Man überlege sich doch, aus welcher Stimmung heraus eine Tat wie die Ermordung Rathenaus begangen ist. Sie ist zweifellos von
langer Hand her aufs sorgfältigste mit größtem Raffinement vorbereitet worden und setzt einen Fanatismus voraus, der nicht von
heute auf morgen entsteht, sondern langsam auf tief unterwühltem Boden erwachsen ist.
Der Herr Reichskanzler hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß letzten Endes die verzweifelte Stimmung erzeugt wird
durch den unerhörten Friedensvertrag von Versailles,
(lebhafte Zustimmung bei der Deutschen
Volkspartei)
durch die Knebelung, die unserem Volke auferlegt worden ist,
(erneute lebhafte Zustimmung bei der Deutschen
Volkspartei)
durch das rechtswidrige Abtrennen Oberschlesiens, durch die Demütigungen, die wir tagtäglich über uns ergehen lassen müssen,
durch das Prassen der Ententekommissionen, dem Hunger und Vernichtung wertvoller Teile unseres Volkes gegenübersteht das ist
der Urgrund. aus dem Verzweiflung, Wahnsinn und schließlich Verbrechen erwachsen.
(Lebhafte Zustimmung bei der Deutschen
Volkspartei. - Unruhe und Widerspruch bei den
Kommunisten.)
Meine Herren, 26 wenn wir alle Kreise des Volks zusammenfassen wollen - und das ist doch ein notwendiges Ziel -, da müssen
wir zunächst einmal die Überzeugung der verschiedenen Kreise achten lernen.
(Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei. -
Zustimmung bei den Deutschen Demokraten und bei
den Sozialdemokraten.)
26S. 8059C
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Ich achte durchaus die Überzeugung der Leute, die schon früher unter dem alten Regime andere staatsrechtliche Ansichten
vertraten als die damals herrschenden. Ich kann auch verstehen, wie jemand nach dem erschütternden Zusammenbruch vom
November 1918 zu der Überzeugung gekommen ist, daß eine andere Staatsform besser, ja notwendig sei als die zusammengebrochene.
Aber, meine Herren, wir verlangen auch, daß man unsere Überzeugung, die in der gegenwärtigen mechanischen radikal-demokratischen
Verfassung nicht das Allheilmittel sieht, die vielmehr glaubt, daß die Zukunft auch die Kräfte wieder zum Leben erwachen müssen,
die bis zum Jahre 1918 gewirkt haben.
(Lebhafte Zustimmung rechts. - Lärmende
Unterbrechungen auf der äußersten Linken.)
Meine Herren, wir verlangen die Achtung unserer Überzeugung, und wir lassen uns die Überzeugung von niemandem nehmen.
(Sehr gut! bei der Deutschen Volkspartei.)
Achtung vor unserer Überzeugung ist es aber nicht, wenn hier die Fahne, die den Ruhm Deutschlands verkündet hat, die
schwarz-weiß-rote Fahne als Mörderfahne bezeichnet wird,
(lebhafte Rufe rechts: Hört! Hört! Pfui! vielfache
Zurufe von den Kommunisten: Die Mörderfahne!)
wenn hier verlangt wird, daß die Fürsten-geschlechter, an denen wir gehangen haben und denen Deutschland so viel verdankt,
aus Deutschland vertrieben und ihr Vermögen gesetzwidrig konfisziert wird.
(Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.)
Meine Herren, das ist keine Achtung vor fremder Überzeugung. Nur wenn Sie unsere Überzeugung achten, dann können wir zu einer gemeinsamen Arbeit kommen.
(Lebhafter Beifall bei der Deutschen Volkspartei.
- Zuruf von den Kommunisten: Habt Ihr beim
Sozialistengesetz unsere Überzeugung geachtet?)
- Ich achte die Überzeugung - -
(Zuruf von den Kommunisten: Sie waren damals
mit einer der größten Hetzer!)
- Ich komme auf das Sozialistengesetz noch zu sprechen!
(Zuruf von der Deutschen Volkspartei: Er hat
damals noch gar keine Politik gemacht! - Gegenruf
von den Kommunisten: Aber er war Richter;
das war viel schlimmer!)
Meine Herren! So selbstverständlich wir das Recht der freien Meinung für uns fordern, so selbstverständlich ist es, daß
wir uns unverbrüchlich dem bestehenden Rechte fügen. Jede Gewalt, die gegen die Verfassung oder gegen die Gesetze betrieben
oder versucht wird, lehnen wir unter allen Umständen ab.
(Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.)
Wir verlangen von der Regierung, daß sie den bestehenden Rechtszustand mit allen Mitteln schützt.
(Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei. -
Zuruf von den Kommunisten: Gegen Euch!)
Aber nicht nur jede Gewalt lehnen wir ab, sondern auch die herausfordernde Art, in der vielfach
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