1. Reichstag, Weimarer Republik


Zurück zur Titelseite oder Zurück zur Homepage


Seite 181

A B

Ihrer Politik das Maß von Elend, das schon groß genug ist, nur noch vergrößert werden kann.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Unsere Politik wird von dem Bewußtsein getragen, daß dadurch eine Befriedung in der Welt herbeigeführt wird, daß die deutsche Wirtschaft wieder zu alter Leistungsfähigkeit gebracht und damit das Elend von Deutschland ferngehalten wird, das in dem gequälten Österreich und in dem viel mehr gequälten Russland vorhanden ist, - nicht zuletzt deshalb, weil dort eine Politik der absoluten Verrücktheit geführt worden ist, die von ähnlichen Leuten in Deutschland gefordert und vertreten wird. Ich sehe mich nunmehr genötigt,13 Herrn Dr. Helfferich einige Worte zu widmen. Herr Dr. Helfferich hat hier zum Ausdruck gebracht, daß es vollkommen unmöglich sei, eine Politik der Erfüllung gegen die Entente zu betreiben. Ich richte daher an Herrn Dr. Helfferich die Frage, ob er glaubt, daß eine Politik getrieben werden kann, die nicht auf Erfüllung eingestellt ist. Wenn Sie eine Politik der Erfüllung nicht betreiben wollen, dann hätten Sie im Jahre 1915 oder 1916 Umkehr von Ihrer Kriegspolitik halten müssen.

(Sehr gut! Bei den Sozialdemokraten. - Abgeordneter Dr. Helfferich: Was wissen Sie von meiner Kriegspolitik.)

- Ich habe Sie jedenfalls eingehender gelesen, als Sie die Rede des Herrn Innenministers Dr. Hermes gelesen haben. Jedenfalls sind Sie mit daran schuld, daß dieses Ungeheuer über das deutsche Volk hereingebrochen ist.

(Zuruf rechts: Sie sind schuld, die Sie das Vaterland im Stiche gelassen haben!)

Als die Revolution kam, hatten Sie (nach rechts) das deutsche Vaterland bereits in Grund und Boden geritten. Sie waren ja diejenigen, die das Programm, daß die Entente nur zum teil gegen uns durchführen will, aufgestellt haben.

(Abgeordneter Dr. Helfferich: Unsinn!)

- Es mag sein, daß Sie sehr viel Unsinn gemacht haben. -

(Erneute Zurufe rechts.)

Denn Sie haben von hier aus ja erklärt: Das Bleigewicht der Kriegsposten zu schleppen, überlassen wir den Feinden, - und wenn nun die Entente das macht, was Sie damals auszuführen sich vorgenommen hatten, so haben Sie absolut keinen Grund, wie es oft gesagt worden ist, darüber Beschwerde zu führen.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. - Abgeordneter Dr. Helfferich: Lesen Sie, was ich im Dezember 1915 gesagt habe!)

Wenn heute die Ausräuberung Deutschlands durch unnütze Besatzungskosten und andere unnütze Ausgaben vorgenommen wird, so glaube ich, daß bei Ihnen die Neigung, eine ähnliche Ausräuberung bei der Entente vorzunehmen, in gleichem Maße vorhanden wäre,

(Unruhe und Zurufe rechts)


13S. 6390C

vorige

und weil die Entente das weiß, deshalb hat sie auch zu so scharfen Maßnahmen gegen uns gegriffen. Es wäre zweckmäßiger und besser für das deutsche Volk gewesen, wenn Sie damals solche Reden nicht gehalten hätten.

(Erneute Zustimmung bei den Sozialdemokraten. - Zurufe rechts: Sie sind Ententefreund! Sie sind nicht in Frankreich, sondern im Deutschen Reichstag!)

Sie (zu den Deutschnationalen) haben der deutschen Volkspartei den Vorwurf machen wollen, daß sie das deutsche Volk von roten Ketten habe freimachen wollen, und Sie haben dann tönende Lockungen angeschlagen, um schließlich die Deutsche Volkspartei und die anderen bürgerlichen Parteien noch zu einer großen bürgerlichen Koalition zusammenzubringen. Wir Sozialdemokraten könnten eine derartige Koalition außergewöhnlich leicht ertragen.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Unsere Partei würde vielleicht dabei sehr stark und sehr schnell wachsen.

(Erneute Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Herr Dr. Helfferich sagt, die Steuerbelastung sei so groß, daß die Fäden zu reißen drohen. Leider ist ein großer Teil des deutschen Vermögens ins Ausland geflossen und ist dort fest angelegt worden. Wir wünschen, daß uns die Entente mithilft, diese dunklen Stellen ausfindig zu machen, wo nicht unerhebliche deutsche Werte festgelegt worden sind. Die jetzige Steuerleistung ist zwar außergewöhnlich stark, aber sie ist nicht unerträglich, und sie ist gerade in bezug auf die Besitzsteuern nach unserer Ansicht noch weiter ausbaufähig das zeigt sich deutlich an dem ungemein gesteigerten Luxus, der auf dem Lande getrieben wird.

(Zuruf rechts: Auf dem Lande?)

- Ja, auf dem Lande! Das zeigt sich außerdem darin, daß mit jedem Tage neue Mitteilungen darüber gemacht werden können, in wie weitgehendem Maße Steuerhinterziehung und -unterschlagung vorkommen. Wir verkennen nicht, daß die jetzige Vermögenssteuer unter Umständen einen Eingriff in die Substanz darstellt. Aber in so außergewöhnlichen Zeiten, wo ein so außergewöhnlicher bedarf vorhanden ist, ist ein solcher Eingriff berechtigt; denn die Substanz, über die die breiten Massen des werktätigen Volkes verfügen, sind zum größten Teil bereits aufgezehrt. Und darum müssen wir in solchen Zeiten unter allen Umständen darauf sehen, daß die Substanzen der arbeitenden Massen nicht noch weiter aufgezehrt werden, weil damit automatisch eine Verminderung der Produktionskraft einsetzen muß. Herr Dr. Helfferich fordert den Schutz der Papiermark und will auch die Obligationen mit der Steuer weniger belasten. Wir können ihm nicht in dem Maße folgen, wie er das verlangt. Denn Ihre Partei (nach rechts) ist mit schuld daran, daß eine so ungeheure Benachteiligung derer eingetreten ist, die über kleinere Einkommen und kleinere Vermögen verfügen; denn von hier aus, unter Ihrer


nächste