1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 165

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Weiter möchte ich Ihnen sagen:17 die Preissteigerung, die wir infolge der kolossalen Geldentwertung erleben, wird von ganz unverdächtigen Zeugen auf Dinge zurückgeführt, die uns alle hoffentlich in gleicher Weise angehen und die wir alle gemeinsam bekämpfen. Die "Vossische Zeitung" sagt über den Devisenhandel und die Kurstreibereien an der Börse, daß die Valutaspekulationen in allererster Reihe durch russische, polnische und galizische Spekulanten verursacht werden.18

(Hört! Hört! rechts.)

Wenn wir darüber reden, dann sagt man uns nach, wir seien antisemitische Agitatoren. Hier haben Sie einmal von einem unverdächtigen Organ die richtige Auffassung, die auch wir vertreten. Noch deutlicher wird das "Berliner Tageblatt" das in seiner Nummer vom 14. September folgendes schreibt:

Sehr unliebsam bemerkbar macht sich auch die Invasion von der Produktenbörse her. Viele Börsenbesucher und Angestellte dieser Abteilung benutzen die Gelegenheit und die ihnen bei dem ruhigen Geschäft an der Produktenbörse reichlich zur Verfügung stehenden Zeit, um Dollars zu kaufen. Auf dem Wege über die Produktenbörse haben sich auch mancherlei Elemente Zutritt zum Devisen- und Effektenmarkt verschafft, die besser ferngehalten würden. Es handelt sich dabei vielfach um Besucher, die über die Ostgrenzen Deutschlands, mitunter auch aus der Grenadierstraße die bekanntlich in Berlin die "jüdische Schweiz" genannt wird -,

(Heiterkeit)

gekommen sind und sich sowohl am Valutamarkt als auch an der Effektenbörse breit machen. Namentlich der Markt der unnotierten Werte ist ihr Tummelplatz.
(Hört! Hört! rechts.)

Meine Damen und Herren, da liegen die Ursachen der kolossalen Preissteigerungen, da haben Sie eine ganz objektive Darstellung der Ursachen der Teuerung. Erst wenn wir diese festgestellt haben, können wir versuchen, der Mißstände Herr zu werden und sie zu beseitigen. Der Herr Kollege Remmele hat den brandenburgischen Lieferstreik19 in seiner Rede erwähnt und gemeint, wie weit herunter die Landwirtschaft durch einen solchen Lieferstreik, den sie beabsichtige, gekommen sei. Ja, meine Damen und Herren, ich will ganz offen sein: wenn die linken Gruppen, wenn die Kommunisten glauben, durch ihr Gebaren und durch ihre Machtgelüste und durch ihr wildes Auftreten im Reiche uns einschüchtern zu können, dann sollen sie doch erfahren, daß auch auf unserer Seite noch die Möglichkeit besteht, gegen eine solche Bewegung selbständig aufzukommen.


17S. 5041C
18S. 5041
19S. 5044

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(Bravo! Bei den Deutschnationalen.)

Glauben Sie doch nicht, daß wir uns das gefallen lassen, wenn Sie nach Ihren Ideen nach russischem Muster ohne weiteres über uns herfallen wollen. Nein, wir werden uns zu wehren wissen.

(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen. Zurufe von den Kommunisten.)

- Herr Kollege Geyer, seien Sie sicher, daß wir uns im richtigen Moment zu wehren wissen; glauben Sie nur nicht, daß wir das alles glatt hinnehmen.

(Zuruf von den Kommunisten: Statt Kartoffeln blaue Bohnen!)

- Damit wissen Sie allerdings Bescheid.

(Heiterkeit rechts. - Zurufe von den Kommunisten.)

- Ich gebe nur zurück, was Sie gesagt haben. Wenn Sie mit solchen Gewalttätigkeiten kommen und kommen wollen, dann seien Sie nur darauf gefaßt, daß wir diesen Gewalttätigkeiten zur Rechten Zeit zu begegnen wissen.

(Sehr gut! rechts.)

Wir denken nicht daran, uns ohne weiteres, wenn die Regierung machtlos ist, von Ihnen überrennen zu lassen, sondern wir werden zur rechten Zeit Rede und Antwort stehen. Ich wiederhole: wenn wir das ehrliche Bestreben haben zu bessern, dann müssen derartige Redensarten wegbleiben. Nun haben ja die Kommunisten gar nicht die Absicht zu bessern; ihr Weizen blüht ja nur in der Unzufriedenheit und nur in einem Lande, das die große Unordnung hat, in einem Lande, das am Verhungern ist. Der russische Kommunismus würde ja niemals existieren können, wenn Russland ein situiertes, ein geordnetes Land wäre, ein Land, in dem wirklich noch Recht und Autorität vorhanden ist. Nur ein Staatswesen, das am Boden liegt, in dem Hunger und Elend, Not und Tod alle Tage einhergehen, hat den Kommunismus. Wir werden uns dagegen zu wehren wissen. Wir haben die bestimmte Hoffnung und die feste Zuversicht, daß das deutsche Volk trotz aller politischen Zerrissenheit, an der es so schwer krankt, doch wieder den Weg zum Aufstieg finden wird. Daran wird die Landwirtschaft treu und unentwegt mitarbeiten.20

(Bravo! Rechts. - Zurufe links.)

Vizepräsident Dr. Bell: Das Schlusswort namens der Interpellanten hat Frau Abgeordnete Schuch.

Schuch, Abgeordnete:21 Meine Damen und Herren! Der letzte Redner hat die Bemerkung gemacht, wenn wir am Ende sind und nicht mehr weiter könnten, dann kämen wir mit der Anklage, daß andere Parteien am Krieg schuld seien. Ganz so ist es nicht.

(Zuruf rechts: Eben war es so!)

Aber das will ich Ihnen sagen, daß der Krieg, in den wir als Masse des Volkes gegen unseren Willen hineingetrieben worden sind, die Grundlage all unseres Unglücks ist. Das werden wir nicht nur immer am Ende betonen, sondern werden es immer und immer an den Anfang all unserer Aufklärung setzen.


20S. 5045C
21 ebd.

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