1. Reichstag, Weimarer Republik


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wie zutreffend und richtig das ist, an der Tatsache, daß nur dort der große Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion zu verzeichnen ist, wo das Kapital der Großagrarier ausschlaggebende Bedeutung hat. Die Ursachen der niedrigen Produktion in Deutschland liegen lediglich in der Profitsucht der Großagrarier, in dem Verbrechen der Großgrundbesitzer, nicht bei den kleinen und mittleren Bauern. Ich will Ihnen das an einer Statistik des Reichsstatistischen Amtes nachweisen. In dem Heft Nr. 3 werden die Provinzen und Betriebe aufgezählt mit ihrem Produktionsrückgang in den Jahren 1913 bis 1920. Es sind immer die Betriebe, die über 100 Hektar zu verfügen haben. In Hohenzollern haben wir 1,4 Prozent solcher Betriebe, und da ist der Produktionsrückgang nur 6,4Prozent. In Württemberg haben wir an Betrieben mit über 100 Hektar nur 1,7 Prozent, und da beträgt der Produktionsrückgang 22,4 Prozent. In Bayern haben wir an betrieben über 100 Hektar 2,2 Prozent; der Produktionsrückgang beträgt 32,5 Prozent. Der Reichdurchschnitt beträgt bei Betrieben über 100 Hektar 10 Prozent mit einem Produktionsrückgang von 37 Prozent. Nun kommen die Güter der Großgrundbesitzer. In Pommern machen die Betriebe über 100 Hektar 51,2 Prozent aus, und der Produktionsrückgang beträgt 53,5 Prozent.

(Hört! Hört! bei den Kommunisten.)

In Mecklenburg machen die Güter über 100 Hektar 59,8 Prozent aus, während der Rückgang der Produktion dort 52,5 Prozent beträgt. Durch diese Statistik ist klar bewiesen, daß der gesamte Süden, also die Gebiete, wo Klein- und Mittelbauern vorherrschend sind, an dem Rückgang der Produktion den geringsten Anteil hat und daß sich der Produktionsrückgang in ungeheurem Maße bis über 50 Prozent durchweg fast nur auf die großen Güter in Pommern und Mecklenburg beschränken. Würde die Aufstellung nach Größe der Güter geschehen, dann könnten wir feststellen, daß die allergrößten Güter einen Produktionsrückgang bis zu 60 und 70 Prozent und mehr zu verzeichnen haben, während er bei den kleinen Gütern, wie wir das an den Produktionsrückgängen von nur 6,4 Prozent in Hohenzollern gesehen haben, kaum 10 Prozent beträgt. Damit ist also bewiesen, daß nicht etwa das Schlechterwerden des Bodens die Ursache des Produktionsrückganges ist; er kommt nicht daher, daß kein Dünger beschafft werden kann oder daß etwa andere Ursachen, Naturschäden usw. zu verzeichnen sind, sondern lediglich von der bewußten und gewollten Sabotage der Großagrarier, der Sabotage der Junker. Die kleinen Landwirte, die zum Teil selbst nur proletarische Existenzen sind, haben keinen Anteil an dem Verbrechen, das hier von den Großagrariern an dem deutschen Volke geschieht. Wir wissen, daß die dem Hungertode ausgelieferten Volksmassen morgen sich erkämpfen werden, was Sie ihnen heute nicht einräumen wollen.13


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(Beifall bei der Kommunistischen Partei.)

Vizepräsident Dr. Bell: Der Herr Abgeordnete Krüger-Hoppenrade hat das Wort.

Krüger-Hoppenrade,14 Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Die vielfachen und lebhaften Klagen über die Teuerung, die hier vorgebracht worden sind, haben gewiß, von Übertreibungen abgesehen, ihre volle Berechtigung. Auch meine politischen Freunde und ich verkennen durchaus nicht die Gefahr, in der wir stehen, wenn es uns nicht möglich wird, gerade die minderbemittelte Bevölkerung - und dazu rechne ich nicht in allererster Linie die Arbeitermassen, sondern die Massen unserer Kriegsinvaliden und Witwen und Waisen, die Sozial- und Kleinrentner, die unteren Beamten - wenn es uns nicht gelingt, diese Armen wirksam zu unterstützen.

(Sehr richtig! Bei den Deutschnationalen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, daß nicht die Zwangswirtschaft, wie wir sie hier in der Kriegszeit gehabt haben - das haben wir ja von verschiedenen Rednern der einzelnen Parteien gehört - uns in der Sicherstellung unserer Volksernährung weiterbringen kann, sondern daß nur die freie Wirtschaft dazu in der Lage ist.15

(Zurufe links.)

Meine Damen und Herren!16 Bis zu dem Tage, wo der Dollar auf 70 stand, bewegte sich der Brotpreis für freies Getreide in durchaus normalen Grenzen. Wir haben damals für unser Brotgetreide im freien Verkehr 170 bis 180 Mark für den Zentner erhalten. Damals ist das markenfreie Brot absolut nicht teurer verkauft worden als das Markenbrot. Man konnte das vierpfündige Brot markenfrei für 6,80 Mark bekommen, genau so wie das Markenbrot.

(Zuruf von den Sozialdemokraten: Wie lange?)

- Ja, so lange der Preis für das Getreide 170 bis 180 Mark betrug! - Wenn nun infolge der Annahme des Ultimatums der Dollar ungeheuer gestiegen ist und damit unsere gesamte Produktenbörse vorwärtsgetrieben hat, so können Sie unmöglich dem Landwirt die Schuld dafür beimessen, daß nun der freie Brotgetreidepreis ebenfalls wesentlich gestiegen ist. Das sind Verhältnisse, die in der Geldentwertung liegen, aber nicht an der Landwirtschaft.

(Zurufe links.)

Eins vergessen die Herren von der Linken - ich weiß nicht ob es mit Absicht geschieht - , daß ja die Preise, die sie heute für das Umlagebrot bezahlen müssen, eine Folge des Diktats der Entente sind; denn bekanntlich hat die Entente gefordert, daß der Reichszuschuß von 10 ½ Milliarden Mark für die Verbilligung des Brotpreises entweder ganz aufgehoben oder doch bedeutend vermindert wird.

(Sehr richtig! Rechts.)

Das muß man auch erwähnen und vor allen Dingen der konsumierenden Bevölkerung sagen und es nicht so hinstellen, als ob die "habgierigen Agrarier", als die man die Landwirte hinstellt, diejenigen wären, die es verstanden hätten, die Preise zu ihrem Vorteil hochzutreiben.


14 S. 5036
15 S. 5037B
16S. 5037C

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