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(Sehr richtig! und hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)
Die Nachricht von der Ermordung Erzbergers24 war kaum in Berlin bekanntgeworden, da schmähte die Reichspresse ihn bereits
in der rohesten Weise. Es wurde erinnert an all das, was man Erzberger nachgeredet, nicht etwa nachgewiesen hatte.
Der fromme "Reichsbote" schloß seine Schmähungen mit den Worten:
Die Gefahr, daß Erzberger wieder auf der Bildfläche erschien, war größer als je zuvor. Die letzten Schranken der Linksentwicklung
wären dann gefallen ... Durch seinen Tod ist Deutschland vor einem Bürgerkrieg bewahrt worden.
(Lebhafte Rufe links: Hört! Hört!)
Es fehlt wirklich nur noch die ausdrückliche Danksagung an den Mörder!
In der "Krone", die sich "Zeitschrift zur Pflege des monarchischen Gedankens und der nationalen Überlieferung im Sinne
Steins und Bismarcks" nennt, heißt es im Leitartikel des zweiten Septemberhefts:
Die Schieberrepublik hat einen empfindlichen Verlust erlitten. Nach dem Morde der strafrechtlichen Hochverräter Eisner, Haase,
Liebknecht, Rosa Luxemburg der ebenfalls strafrechtliche Hochverräter und noch schlimmere Volksverräter Erzberger.
(Hört! Hört! Links.)
Er war der typische Kriegsgewinnler, Schieber und Amtsmißbraucher.
(Pfui! links.)
Zu Hunderten könnte ich solche Gemeinheiten aus der monarchischen Presse anführen.25 Die "Kreuzzeitung" schreibt:
Nichts ist billiger, als die Täter, deren Motive noch unbekannt sind, zu schmähen.
(Hört! Hört! links.)
Die Nachwelt denkt manchmal ganz anders. Charlotte Corban, die den Republikaner Marat ermordete, wurde zwar in Paris guillotiniert;
doch haben auch deutsche Dichter sie und ihre furchtbare Tat verherrlicht. Es ist gar nicht einzusehen, warum nur die revolutionären
Meuchelmörder Brutus und Wilhelm Tell besungen werden. Die jetzigen Lobpreiser Erzbergers scheinen völlig außer acht zu lassen, daß der
ganze Kampf, der gegen Erzberger geführt wurde, ein Abwehrkampf war.
In der "Kreuzzeitung", dem vornehmsten Organ dieser Herrschaften, stand folgendes:
Man kann nicht mehr von der deutschen Republik, man muß vom roten Zuchthaus sprechen.26
(Lebhafte Rufe links: Pfui!)
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Die Schwarz-rot-goldene Fahne wird von der deutschnationalen Presse nur als Jammerlappen, als Schandlappen und als Judenfahne bezeichnet.
In den Schmähungen der Republik wurde die Reichsregierung die Reichssudelküche genannt.27 Diese Art, die Republik herunterzureißen,
ist in ein bestimmtes System gebracht, genau so, wie Sie die persönliche Ehrabschneiderei in ein bestimmtes System gebracht haben.
Ich habe bereits geschildert, wie gegen Erzberger gewütet worden ist,28 wie besonders gegen Angehörige meiner Partei die
Ehrabschneiderei unausgesetzt betrieben worden ist und noch weiter betrieben wird. In neuerer Zeit wird ja besonders wieder der
Reichspräsident, und - natürlich in der gehässigsten und unverschämtesten Weise - auch der Reichskanzler mit allen möglichen
niederen Andeutungen befehdet. Ach, die Rechtspresse versteht das Metier des Verleumdens ausgezeichnet. Sie weiß, wie man den
Gegner durch infame, fortgesetzte andeutungsweise Verdächtigungen schließlich in weiten Kreisen des Volkes, die diese
niederträchtigen Verleumdungen lesen, um Ansehen und Ehre bringen kann. Das Verleumden und Ehrabschneiden gehört mit zu den
hervorragenden Traditionen der deutschen Reaktionäre.
(Sehr richtig! Bei den Sozialdemokraten und Zuruf:
Bismarck!)
Genauso, wie jetzt eine ganze Anzahl von ehemaligen und jetzigen Ministern in niederträchtigster Weise der Korruption
bezichtigt werden, natürlich immer nur andeutungsweise, so daß man die Verleumder nicht fassen kann, die feigen erbärmlichen
Burschen, genau so ist es Bismarck auch ergangen.
Damals hat aber Fürst Bismarck, der ja seine Pappenheimer ganz genau kannte, in einer berühmt gewordenen Reichstagsrede
vom 9. November 1876 dann die Kreuzzeitungsmethode ausgezeichnet gebrandmarkt:29 Ich will Ihnen auch diese paar Sätze noch vortragen:
Wenn ein Blatt wie die Kreuzzeitung, die für ein Organ einer weitverbreiteten Partei gilt, sich nicht entblödet, die
schädlichsten und lügenhaftesten Verleumdungen über hochgestellte Männer in die Welt zu bringen in einer Form, daß sie nach
dem Urteil der höchsten juristischen Autoritäten gerichtlich nicht zu fassen ist, aber doch diejenigen, die sie gelesen haben,
den Eindruck haben, hier wird den Ministern vorgeworfen, daß sie unredlich gehandelt haben, - wenn ein solches Blatt so handelt
und in monatelangem Stillschweigen verharrt, trotzdem das alles Lügen sind, und nicht ein peccavi oder erravi spricht, so ist
das eine ehrlose Verleumdung, gegen die wir alle Front machen sollten, und niemand
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