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Die Verhältnisse der Räterepublik haben Bayern in zwei Lager gespalten.
Ich möchte aussprechen, daß mir beim genauen Zusehen in Bayern ein Spalt zu klaffen scheint zwischen der Hauptstadt
und dem Lande. 29 Man hat oft davon gesprochen, daß Berlin, nicht bloß in politischer Beziehung, nicht das Deutsche Reich
sei. In Bayern ist auch München nicht das ganze Land.
(Sehr richtig! bei der Bayrischen Volkspartei.)
Es wird geredet von diesen furchtbaren Bayern, in Liebe und Haß werden die Dinge immer übertrieben; aber mir scheint es mit den
übelsten Zuständen in Bayern zu gehen wie mit der Finsternis, die bekanntlich über dem ganzen Mittelalter gelastet hat: - im
einzelnen merkte man nichts davon.
(Heiterkeit.)
So scheint es mir in Bayern zu sein. Die Leute fühlen sich dort ganz wohl. Im Lande will man Ruhe haben und arbeiten, der Bauer
will pflügen, säen und ernten, der Arbeiter will an seiner Maschine stehen und den Hammer schwingen und der Handwerker will in
seiner Werkstatt schaffen. Es ist ungemein bedauerlich, daß verantwortliche und unverantwortliche Hetze, die in das Land importiert
worden sind, durch ihr mißtönendes, erbärmliches Geschrei diese ruhige Stimmung stören, immer wieder da Kampf erwecken, wo
eigentlich Arbeitsfriede herrschen müßte, damit man vorankommt.
Es sind hier, meine Damen und Herren, eine Menge von Presseäußerungen vorgetragen worden, die nicht bloß inhaltlich,
sondern auch stilistisch schauderhaft sind.
(Zustimmung.)
Gewiß, in Bayern herrscht im allgemeinen ein rauer, aber herzlicher Familienton,
(Heiterkeit)
und man kann sagen, daß die Sprache und Ausdrucksweise bisweilen nicht die urbane Eloquenz und die Eleganz geschliffener
Höflichkeit hat. Die raue Luft der Berge und der würzige Geruch des Waldes wittert manchmal auch um die Form der Diskussion selbst im Parlament.
(Heiterkeit.)
Aber, meine Damen und Herren, mit gewollter Derbheit und gemachter Flegelhaftigkeit hat das gewiß nichts zu tun.
(Sehr richtig!)
Man hat hier den "Miesbacher Anzeiger" und auch den "Völkischen Beobachter" genannt. Man hätte auch noch eine Anzahl anderer Blätter nennen können.
(Sehr richtig!)
Was in diesen Blättern sich ausspricht, ist mißverstandener bajuwarischer Kraftadel.
Diese Dinge 30 und die Art des politischen Kampfes sind nicht dazu geeignet, das Problem irgendwie der Lösung entgegenzuführen.
Und wenn sich dazu noch das minderwertigste aller politischen Kampfmittel gesellt, der Rassenhaß und der konfessionelle Haß,
dann ist der Tiefstand eigentlich erreicht. Der Herr Vorredner ist auf diese Dinge zum Teil eingegangen. Ich begreife und
verkenne durchaus nicht, daß heutzutage Lessings Nathan öfters Zeugnis geben kann: Der reichere Jude war mir nie
29S.4001C
30S.4002A
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der bessere Jude! Aber doch kann ich zu gleicher Zeit nicht einsehen, daß man im nationalen Verbande mit uns lebende Mitbürger
in Bausch und Bogen zum Quell des Unheils und allen Übels stempeln will und sie bekämpft, und es stimmt einen immer trübe, daß
aus dem geschmähten Juden in dem Augenblick, wo er sich zum deutschen, nationalen Wirken zusammenschließt in einem Verbande,
im Munde der Schmäher plötzlich der edle Jude wird.
(Sehr richtig!)
Nicht nur der Rassenhaß ist der Inhalt des publizistisch-politischen Kampfes, wir erleben es, daß der politische Gegner eigentlich
doch vogelfrei ist! Die vornehme Art, die Klinge zu kreuzen, wie es früher üblich gewesen ist, im ehrlichen Kampfe, ist heute
vollkommen geschwunden. Wenn man heute in die Arena des politischen Kampfes hinuntersteigt, wird man mit Pferdeäpfeln beworfen;
aus Gasse und Gosse und dem Sprachgebrauch der niedrigsten Tonart holt man die Motive. Der politische Gegner wird in seiner
Ehrhaftigkeit fortwährend berüpelt, seine Motive durch häßliche Verleumdung in der übelsten Weise belichtet. Man darf es ruhig
aussprechen und bedauernd feststellen, daß wir den Sitten des Wildwest bedenklich nahe gekommen sind, und es ist gar kein Wunder,
wenn draußen das Volk, daß diese feine Unterscheidungsgabe, wie man sie im Parlament lernt,
(große Heiterkeit)
ja doch nicht besitzt, jeden im öffentlichen Amt stehenden Mann nicht als seinen Vertrauensträger ansieht, sondern als
einen zweifelhaften Marktschreier, der nur seine persönlichen Dinge besorgt.
(Sehr richtig! im Zentrum.)
Diese beklagenswerten Erscheinungen müssen abgetan werden, und es ist erfreulich, daß in diesen Dingen hier in diesen Tagen
der Anfang gemacht worden ist.
(Stürmische Heiterkeit.)
Meine Damen und Herren! Wenn wir darin fortschreiten, so werden wir vielleicht zu einer Verständigung kommen.
(Erneute große Heiterkeit.)
Ich weiß: diese Verständigung ist außerordentlich schwer; denn wenn von der einen Seite uns mit Rad und Galgen gedroht, die
Vernichtung der Bourgeoisie, der Kampf bis aufs Messer gepredigt wird, wenn zum Siege des Internationalismus aufgerufen wird,
so wird dagegen selbstverständlich der Gedanke des Nationalismus gesetzt werden müssen. Und dem Kampf aller gegen alle wollen
wir mit dem Wunsche Versöhnung aller mit allen begegnen. Im Blätterwald rauscht es natürlich genau so heraus, wie hineingerufen
worden ist, und Echo und Ruf und Ruf und Echo schlingen sich durcheinander zu einer mißtönenden Kakophonie, daß die Stimme der
Menschen überdröhnt wird und schließlich nicht zu unterscheiden ist, wer eigentlich den Anfang gemacht hat.
(Sehr richtig! im Zentrum.)
Vizepräsident Dr. Bell: Meine Herren, die Versöhnung wird nicht herbeigeführt durch fortgesetzte Zwischenrufe.
(Heiterkeit.)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eisenberger.
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