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Marinegut auf über 2000 Lägern und über 3000 Nebenlägern verstreut und nicht inventarisiert war,
und daß überall gestohlen wurde. Als damals der Kriegsminister gefragt wurde, warum er denn diese
Heereslager nicht besser bewachen ließe, gab er zur Antwort, daß er dazu mindestens eine Million
Soldaten brauche, wozu ich ergänzend hinzufüge, daß es zweifelhaft sei, ob dann nicht etwa noch mehr
gestohlen werden würde.
(Heiterkeit)
Wir haben damals alles getan, um diese Inventarisierung durchzuführen. Aber bei der Unordnung, bei dem doch vielfach
sehr unzulänglichen Angestelltenmaterial und bei der weit verbreiteten Unehrlichkeit, die vorhanden war, war das eine
Sisyphusarbeit. Und auch heute wird es noch eine ganze Menge von Punkten geben, die recht dunkel sind, und wo meines
Erachtens mit aller Entschiedenheit durchgegriffen werden muß. Ich kann den Herrn Reichsschatzminister nur aufs
dringendste bitten, da überall mit aller Energie vorzugehen, volle Klarheit zu schaffen und, wofern in keinem Ministerium
Leute vorhanden sein sollten, die den Wunsch haben, möglichst wenig in die Öffentlichkeit kommen zu lassen und lieber eine
Sache zu vertuschen, alles ins hellste Licht zu stellen, mit anderen Worten, daß er, sofern gegen irgendeinen Beamten oder
frühere Angestellten ein Verdacht vorliegt, nicht erst Monate hingehen lassen soll, bis eine entsprechende Anzeige an die
Staatsanwaltschaft ergeht, sondern dafür sorgen muß, daß rasch und energisch zugegriffen wird.
(Bravo! Bei den Deutschen Demokraten.)
Daß hier noch mancherlei faul ist, wird ohne weiteres zugegeben sein. Aber es hat sehr wenig Zweck, die einzelnen Dinge
hier in der Öffentlichkeit vorzubringen, wo die Angeschuldigten sich nicht verteidigen können, wo von der einen Seite eine
einseitige Darstellung gegeben wird und der Minister ganz außerstande ist, auf jedes Detail, das vorgebracht wird,
erschöpfend zu antworten. Nehmen wir den einen Fall der Firma D. Levin. Es ist heute wieder einmal viel darüber gesagt
worden. Gerade über diese Firma D. Levin ist bereits wiederholt gesprochen worden, und besondere Untersuchungsausschüsse
sind für diesen speziellen Zweck niedergesetzt worden und haben sich mit dieser Sache aufs eingehendste befasst, aber
selbst nach sorgfältigster Prüfung und, nachdem sie die Bücher der Firma usw. eingesehen haben, sind sie immer dazu
gekommen, daß gegen die Firma nichts einzuwenden sei, daß die Dinge klar und einwandfrei lägen. So ist das Ergebnis
des Untersuchungsausschusses gewesen. 5
Der Herr Kollege Bruhn hat heute eine ganz neue Sache, von der bisher überhaupt noch nicht die Rede gewesen ist,
nämlich das Platingeschäft über das weder der Aufsichtsrat noch der Wirtschaftsausschuß, noch der Haushaltsausschuß
bisher ein Wort erfahren hat, in die Debatte hineingeworfen. Ich nehme an, daß ihm Klatsch zugetragen worden ist;
es ist wahrscheinlich nichts anderes. Aber es erscheint im höchsten Grade bedenklich, derartigen Klatsch hier von
der Tribüne des Reichstags herab in die Debatte zu bringen. Solche
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Sachen gehören unbedingt in die Beratungen der Ausschüsse hinein. Sonst sabotiert man von vornherein die ganze
Tätigkeit derartiger Werke
(sehr richtig! Bei den Deutschen Demokraten)
man verhindert es, daß in Zukunft überhaupt noch ein anständiger Mensch an ihre Spitze tritt.
(Zustimmung bei den Deutschen Demokraten.)
Vizepräsident Dr. Bell: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bartz (Hannover). 6
Bartz (Hannover), Abgeordneter: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war selbstverständlich, 7 daß die Kahn - Geschichte,
daß die verschiedenen anderen Verträge hier bei der Besprechung des Etats des Reichsschatzministers eine Rolle spielen würden.
Aber die Herren von der Rechten, die darüber gesprochen haben, haben nach meinem Dafürhalten keine Berechtigung, in dieser
Form Kritik an den Dingen zu üben. Der größte Teil der Kritik kann darauf zurückgeführt werden, daß die Betreffenden, die
bei diesen Schiebergeschäften ertappt worden sind, jüdische Namen tragen. Ich habe die Überzeugung, daß, wenn statt Kahn und
Levin andere Namen unter den Verträgen ständen, die Opposition in ihren Kreisen (nach rechts) die Kritik, die Sie an den
Dingen geübt haben, vielleicht weniger scharf gewesen und die ganze Angelegenheit weniger geräuschvoll behandelt worden wäre,
als es jetzt der Fall ist, nachdem Sie wissen, daß ein Kahn, ein Levin die Verträge getätigt und die Millionengewinne eingesteckt haben.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie daran erinnern, daß nicht nur ein Kahn und ein Levin Millionenbeträge am Reich verdient
haben, sondern auch Ihre Gesinnungsgenossen jetzt, während des Krieges und vor dem Kriege das Reich betrogen haben.
Ich meine nicht Sie hier im Saale, aber doch Ihre Gesinnungsfreunde, die Über- und Mordspatrioten. Sie haben Gewinne
gemacht, die ihnen rechtlich einfach nicht zustanden. Ich darf daran erinnern, daß eine große Panzerplattenfirma es
fertig gebracht hat, daß Reich dadurch zu übervorteilen, daß sie die Panzerplatten an das Ausland weit billiger
verkauft hat, als an das Deutsche Reich. 8 Ist das etwa nicht dasselbe, als das, was jetzt das Reichsschatzministerium
mit seinen Verträgen bewirkt hat? Beides ist eine Verschleuderung von Reichsgeldern. Es war vor dem Krieg dasselbe.
Nur die Namen sind andere geworden. Damals waren es die Krupp und Konsorten, heute sind es die Kahn, Levin usw. Das
System ist dasselbe geblieben. Deshalb nimmt es sich zumindest sehr komisch aus, wenn einer der Herren Vorredner - ich
glaube es war Herr Bruhn - sagte, es müsse wieder dahin kommen, das Treu und Glauben und Redlichkeit das Geschäftsleben
des Kapitalisten beeinflussen und beherrschen.
Meine Damen und Herren! Ist Treu und Glauben, Redlichkeit und Gerechtigkeit denn überhaupt etwas, was dem kapitalistischen
System anhaftet? Ist nicht der ganze
6S. 2712C
7S. 2714B
8S. 2714C
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