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Präsident: das Wort hat der Herr Abgeordnete Koch (Weser).
Koch (Weser), Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Auch wir haben es bedauert, daß in einer Zeit wie der gegenwärtigen
eine Debatte geführt werden muß, die den inneren Streit in Deutschland schüren und vermehren muß4 .
Herr Abgeordneter Henning hat es verschiedentlich noch in den letzten Monaten für richtig gehalten, zu erklären, daß
zunächst der Rücken freigemacht werden müsse, daß zunächst Deutschland von den Juden gesäubert werden müsse ehe die
Möglichkeit bestände, den Befreiungskampf zu führen. Ich glaube nicht, daß der Herr Abgeordnete Henning tatsächlich
der Meinung ist, daß der Befreiungskampf so lange aufgeschoben werden kann, bis auf parlamentarischem Weg die Ausstoßung
der Juden aus Deutschland beschlossen worden ist. Ich möchte also doch glauben, daß die Behauptung, man wolle sich
immer verfassungsmäßiger Mittel bedienen einer Remedur bedarf.
(Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)
Wir von der Demokratischen Partei sind nicht in der Lage, durch diese Ereignisse von unseren Grundsätzen abdrängen zu lassen.
Wir bekämpfen Pläne und Taten, wir bekämpfen keine Gesinnung.
(Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.)
Was im übrigen die Haltung der Deutschvölkischen Partei angeht, so hat sie das Bündnis mit der Nationalsozialistischen
Partei in München, soviel mir bekannt ist, noch niemals öffentlich bestritten. Es geschieht auch jetzt nicht. Daß aber
die Nationalsozialistische Partei in Bayern nicht etwa geneigt ist, auf dem Weg der bloßen parlamentarischen Tätigkeit
die Verfassung zu ändern, daß man es vielmehr in Bayern für angemessen und möglich hält, eine schärfere Sprache zu führen,
als Sie (zu der Deutschvölkischen Freiheitspartei) hier aus gewissen Gründen manchmal zu führen sich geneigt zeigen, ergibt
alles, was die Presse und Versammlungen der Nationalsozialistischen Partei über ihre Tätigkeit verkünden. Ich will gar
nicht auf die Kämpfe eingehen, die am 1. Mai zwar nicht geführt, aber angedroht worden sind. Ich will aber aus den Reden
des Herrn Hitler ein paar Worte zitieren, wie "Idioten und Kanaillen in der Reichsregierung", "die Abrechnung muß mit
der Faust geschehen", "gegen jüdisch- internationalen Terror setzen wir die germanische Gewalt", "die Parlamente" - das
wird den Herrn Abgeordneten Henning interessieren, der sich als großer Freund der Parlamente hingestellt hat - "müssen
beseitigt werden, da sie uns verraten haben,
(hört! hört! bei den Deutschen Demokraten)
wir wollen keine parlamentarische Partei sein, sondern eine nationale Sturmtruppe."
(Abgeordneter Henning: Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns!)
Meine Herren, wir bedauern, daß die bayrische Regierung nicht früher die Kraft gefunden hat, gegen diese Auswüchse mit
aller Energie vorzugehen. Es wäre dem deutschen Vaterlande mancher innerer Zwist erspart worden; denn bei allem Vorgehen, das in
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Norddeutschland auch gegen links für erforderlich erachtet worden ist, sind wir immer von daher dem Einwand begegnet:
Sorgt auch dafür, daß gleiche Auswüchse von rechts in Bayern bekämpft werden, und wie die Reichsverfassung nun einmal
ist, ist die Macht der Reichsregierung, das tatsächlich zu erreichen, außerordentlich beschränkt gewesen. Durch nichts
ist die Autorität der Reichsregierung in den letzten Jahren so erschüttert worden wie durch den Umstand, daß sie gegenüber
der Duldung solcher staatsfeindlichen Rechtsorganisationen in Bayern nicht so kraftvoll einzuschreiten in der Lage gewesen
ist, wie sie das sicherlich selbst gewünscht hätte.
Aber das eine soll man bei allen diesen Fragen nicht vergessen:5 Die Herren v. Kahr und Böhner sind nicht vom Himmel
gefallen, sondern sie sind als politische Größen erst möglich geworden, nachdem das vorangegangene republikanisch-sozialistische
Regiment gegenüber den kommunistischen Umtrieben nicht die nötige Kraft aufgebracht hatte und es zur Räterepublik in Bayern
hatte kommen lassen. Wir verstehen deshalb in der Tat nicht, wie sich der Abgeordnete Scheidemann hier über die Harmlosigkeit
der Kommunisten hat verbreiten können,
(sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)
wie er hat sagen können, daß sie sich mehr und mehr von der Gewalt abwenden. Ich glaube sogar um die Züge des Herrn Abgeordneten
Malzahn ein Lächeln spielen zu sehen, als diese Äußerung des Abgeordneten Scheidemann hier im Hause fiel. Aber das ist es, was
man im Bürgertum nicht versteht und mit einseitigem Maße messen heißt. Wir sind nur dann in der Lage zu scharfen Maßnahmen
gegen rechts unsere Zustimmung zu geben, wenn wir die Sicherheit haben, daß nach links in derselben Weise vorgegangen wird.
(Zuruf von den Vereinigten Sozialdemokraten: das geschieht doch auch!)
- Ja, es geschieht sehr verschieden, Herr Hildenbrandt, nicht überall - -
(erneuter Zuruf von den Vereinigten Sozialdemokraten: Sollen denn noch mehr im Kittchen sitzen.)
- Herr Kollege, das Inskittchensetzen ist nun einmal eine notwendige Begleiterscheinung des Kampfes, den der Staat gegen die
Umtriebe führt. Dagegen lässt sich nichts machen.
(Zurufe links und rechts.)
- Also in diesem Augenblick ruft mir Herr Moses zu: "aber immer nur links!" Und Herr Henning: "aber immer nur rechts!" Daraus
ersehen Sie, wie verschiedenartig die Ansichten in dieser Beziehung sind.
(Große Heiterkeit und Zurufe.)
Vizepräsident Dittmann: Das Wort hat der Herr Abgeordnete v. Graefe (Mecklenburg.6
v. Graefe, (Mecklenburg), Abgeordneter: Wenn man vor der hohen Staatskunst der nachnovemberlichen Regierungen auch
vielleicht trotz der Gesetze zum Schutz der Republik nicht allzu große Bewunderung
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