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wenn Sie hier Angriffe auf den Herrn Reichskanzler finden, die Sie als persönlich bezeichnet haben, so werde ich nicht anstehen,
mein Bedauern darüber auszusprechen.
(Erregte Zurufe links. - Glocke des Präsidenten.)
Präsident: Ich bitte aber, nach dieser Erklärung des Redners nunmehr Ruhe zu halten.
Bazille, Abgeordneter: Meine Damen und Herren! Man will uns einreden, daß die Aktion der Regierung notwendig gewesen sei
zur Beruhigung der Gemüter. Aber hat man jemals davon gehört, daß man 4 Millionen Deutsche als Feinde des Vaterlandes bezeichnet?
Hat man je davon gehört, daß man die Beruhigung der Geister damit erreicht, daß man diesen 4 Millionen Deutschen vorwirft,
daß sie Gift träufelten in die Wunden des deutschen Volkes?
(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)
Wo war denn da Ihre Entrüstung, als man uns mit diesen Beschimpfungen überschüttet hat. Die Beruhigung der Geister war sehr
leicht zu erreichen. Man brauchte nur wahrheitsgemäß zu erklären, daß diese verbrecherische Tat so unsinnig ist, daß sie unmöglich
einer ganzen Partei in die Schuhe geschoben werden kann. Aber so vermessen sind wir nicht, zu glauben, daß die Entscheidung darüber
in unsere Hände gegeben sei.
(Lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen.)
Meine Damen und Herren! Mag sich die Zukunft gestalten wie sie will: es kam mir nur darauf an, Ihnen nachzuweisen, daß wir
weder den gewaltsamen Umsturz der Republik noch einen Revanchekrieg wollen. Eine solche Verdächtigung ist die schlimmste
Beleidigung unserer politischen Einsicht.
(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)
Ich bestreite nicht, daß die Regierung 11 vor überaus schweren Aufgaben steht, daß sie nicht entfernt an allem schuldig ist,
über was das deutsche Volk klagt. Aber ebenso unbestreitbar ist, daß die Rechnung der Republik bereits in einem Maße
aufgelaufen ist, daß kaum eine Aussicht vorhanden ist, sie werde sie jemals bezahlen können. Nein, meine Damen und Herren,
von dieser Pflicht der Kritik werden Sie uns auch durch dieses Gesetz nicht abbringen. Mögen Sie auch fernerhin versuchen,
das freie Wort und die freien Herzen in Fesseln zu schlagen, - wir bleiben was wir waren:
(bravo! bei den Deutschnationalen)
die Vorkämpfer für die Befreiung des deutschen Volkes
(erneutes Bravo rechts)
von der inneren und der äußeren Knechtschaft!
(Stürmischer Beifall bei den Deutschnationalen. -
Pfui - Rufe und Zurufe auf der Linken.)
11 S. 8698B
12 S. 8723C
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Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Henke.
Henke, Abgeordneter: Werte Versammlung! 12 Wir haben eine ganz unerhörte Hetzrede in der Rede des Herrn Bazille vernommen,
und was dabei das charakteristische war: es war diese deutschvölkische Verhetzung, die überall aus den Worten hervorleuchtete.
Diese selben Leute, die die Mörder Rathenaus glorifiziert haben, indem sie sie in Parallele gestellt haben mit einem
Ludwig Sand, diese Leute, die also dadurch künftige Mörder geradezu aufgestachelt haben zu neuen Mordtaten, diese Leute
haben eine deutschvölkische Propaganda betrieben und dadurch in unheilvoller Weise auf die Jugend eingewirkt. Wir wissen,
daß Ludwig Sand ein Burschenschaftler war, aber seine Geistesart, die wir allerdings auch nicht billigen können, war doch
eine andere als die, die heute die Burschenschaftler erfüllt. Heute sind sie von deutschvölkischen, d.h. von antisemitischem
Geiste erfüllt, es ist der Sozialismus der dummen Kerls, der die Köpfe dieser versoffenen Bierhelden erfüllt. Das ist
dieselbe Studentenschaft, die auf die Arbeiter in Thüringen losgelassen worden ist, und die bei Gelegenheit wieder auf
sie losgelassen werden wird. Diese Burschenschaftler mit solchem Geiste erfüllt zu haben, das ist die Schuld der Deutschnationalen,
nicht nur derer um Wulle usw., sondern der ganzen Deutschnationalen Volkspartei. Solange sie solche Leute wie Wulle und
Bazille in ihrer Mitte behält, solange sie auf die Juden schimpfen, die das, was sie geliehen haben, auch einmal mit Zins
und Zinseszins wieder zurück-verlangen, so lange müssen wir sie verantwortlich für die Mordtaten machen, die wir in der
jüngsten Zeit erlebt haben. Von Bazille, von Wulle ist dieselbe Hetze betrieben worden, wie seinerzeit gegen Erzberger,
die deutschvölkische Hetze.
Es ist nicht nur die Deutschnationale Volkspartei, auch die Deutsche Volkspartei hat dieselbe Hetze betrieben. Vor mir
liegt ein Auszug aus einem Rundschreiben, daß die Deutsche Volkspartei in Sachsen hat ergehen lassen. Sie hat in diesem
Rundschreiben Gelder gleich für sechs Wahlkämpfe eingefordert. Es heißt darin unter anderem, daß Rathenau, der ungekrönte
König des internationalen Judentums gewesen sei, der Hauptvorkämpfer der jüdischen Weltherrschaft; darum würden die
Juden ihre gewaltige Presse und Geldmittel im Falle einer Reichstagswahl in Bewegung setzen. Sie sehen also bei den
Deutschvolksparteilern genau dieselbe deutschvölkische Agitation wie bei den Bazille und Konsorten. Es ist kein großer
Unterschied da, und beides ist auf dieselbe Quelle zurückzuführen: die Leute haben eben versäumt, Geschichtsstudien und
nationalökonomische Studien zu rechter Zeit zu machen, sie haben versäumt, sich genügend über die Ursachen des Weltkrieges
aufzuklären und über das, was er im Gefolge haben mußte; und müssen den Mangel nun irgendwie ersetzen; sie haben ihn
ersetzt durch Verhetzung, durch Agitation sondergleichen gegen Juden und gegen Leute, die nicht die Politik treiben, die sie befürworten.
(Sehr richtig! links.)
12 S. 8723C
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