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und sagte in ziemlicher Erregung: der Vorsitzende hat nicht in unserem Auftrage gesprochen; wir wollen dem Bunde beitreten
und seine Bestrebungen unterstützen. Als ich ihn dann aufforderte, es doch in der Versammlung zu sagen, da trat er auf und
erklärte daßelbe, was er mir gesagt hatte, angesichts seines Parteivorsitzenden öffentlich in der gut besuchten Versammlung.
(Bravo! bei den Deutschnationalen.)
Und was das Beste war: auch solche Kreise,3 die sonst nicht gerade so national denken, wurden von diesem Gedanken erfasst,
und bis in die Reihen der Kommunisten hinein - von denen weiß ich es allerdings weniger genau -, aber bis zu den Unabhängigen
Sozialdemokraten haben zahlreiche mir bekannte Persönlichkeiten an dieser Einheit der Abwehr der Ansprüche des Polentums
festgehalten und halten fest bis zum heutigen Tage.
(Bravo! Rechts.)
Nun, meine Damen und Herren, was können wir daraus lernen? Ist es wirklich nicht möglich, das, was dort in nuce, im
kleinen, geschehen ist, schließlich auf das ganze deutsche Volk und Vaterland zu übertragen? Ich glaube, es wird einmal
die Zeit kommen, wo es soweit in ganz Deutschland ist, wie es dort in Ostpreußen war: wenn der Feind uns bedrängt,
dann wird doch Deutschland wieder einig werden, und dann wird der deutsche Gedanke wieder lebendiger werden, als das
bisher der Fall gewesen ist. Und darum schließe ich mit einem Wort - ich wollte gestern eigentlich weniger sagen als
heute, wenn ich hätte zu Ende reden können - schließe ich mit einem Worte Hindenburgs, der das sagt:
Ist erst der nationale Gedanke, das nationale Bewußtsein wieder erstanden, dann werden für uns aus dem großen Kriege, auf den
kein Volk mit berechtigterem Stolz und reinerem Gewissen zurückblicken kann, solange es treu war, sowie aus dem bitteren Ernst
der jetzigen Zeit sittlich wertvolle Früchte reifen.
Gott gebe, daß wir das bald erleben!
(Lebhafter Beifall bei den Deutschnationalen.)
Präsident: Wegen unparlamentarischer Zwischenrufe, die gestern gegen den Herrn Abgeordneten Hensel gefallen sind, rufe
ich nachträglich die Herren Abgeordneten Wels, Sollmann, Vogtherr, Dr. Moses und Malzahn zur Ordnung!
(Bravo! bei den Deutschnationalen.)
das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Goetz.
Dr. Goetz, Abgeordneter:4 Meine Damen und Herren! Die erregte Stimmung, in der der Reichstag gestern auseinandergegangen
ist, hat uns weit abgelenkt von dem Gegenstand der Beratung. Aber die Stimmung, die im Reichstag entstanden war, war so
ursprünglich und so erklärlich, daß es heute nicht anders möglich ist, als mit einem Wort auf die
3 S.8359B
4 S. 8359C/D
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Äußerungen des Herrn Abgeordneten Hensel in der gestrigen Sitzung zurückzukommen. Der Herr Abgeordnete Hensel hat noch
einmal die sogenannte Dolchstoß-Legende hier vorgetragen und hat den Anschein zu erwecken versucht, als ob an dieser
Dolchstoß-Legende irgendwelche Wahrheit wäre. Der Sturm, der hier im Reichstag losgebrochen ist, hat ihm gezeigt, daß es
innerhalb Deutschlands und des Deutschen Reichstags eine Mehrheit gibt, die sich diesen Vorwurf nicht gefallen läßt und
die es mit aller Entrüstung zurückweist, daß uns diese Lügen immer von neuem vorgetragen werden.
(Sehr gut! und Bravo! bei den Deutschen Demokraten und links.)
Denn ich muß es dem Herrn Abgeordneten Hensel hier sagen, nicht nur als Deutscher, sondern als Geschichtsforscher, daß es
eine Unwahrheit ist, diese Dolchstoß-Legende hier noch einmal vor der Welt vorzutragen.
(Sehr richtig! links.)
Es scheint dem Herrn Abgeordneten Hensel in keiner Weise bekannt zu sein einmal, wie die Tatsachenlage damals war,
und zweitens wie heute maßgebende militärische Schriftsteller und andere Teilnehmer zu diesen Ereignissen sich stellen.
Es scheint dem Herrn Abgeordneten Hensel unbekannt zu sein, daß Autoritäten, wie doch General Kuhl zum Beispiel jedenfalls
eine ist, den Zusammenbruch des deutschen Heeres Anfang Oktober als vollendet ansahen. Es scheint dem Herrn Abgeordneten
Hensel unbekannt zu sein, daß eine große Anzahl von Generalen, die allerdings nicht mehr auf dem Boden des alten Staates
stehen, diese Legende in keiner Weise mehr teilen.
(Sehr richtig! links.)
Es scheint dem Herrn Abgeordneten Hensel auch unbekannt zu sein, daß zum Beispiel ein Heerführer wie der deutsche Kronprinz in
seinen Erinnerungen diese Legende nicht nur fallen läßt, sondern ausdrücklich feststellt: der Zusammenbruch der deutschen
Armee war Anfang August besiegelt.
(Lebhafte Rufe links: Hört! Hört!)
Damals, als die Franzosen vorstießen und unsere Front zu durchbrechen begannen, war für jeden Einsichtigen das Schicksal
des deutschen Heeres entschieden.
(Sehr wahr! links.)
Oder wenn der Herr Abgeordnete sich einmal über den damaligen militärischen Stand unterrichten wollte: ist es ihm wirklich
nicht bekannt, daß im September sowohl die italienische wie die mazedonische Front zerbrochen war?
(Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)
Das infolgedessen im Rücken Deutschlands an zwei Stellen dem Vormarsch der Feinde kaum irgendein Hindernis von Bedeutung mehr
entgegenstand, und daß zu gleicher Zeit nicht etwa die Westfront eine Mauer war, sondern daß diese Westfront zurückflutete,
ohne daß ihr eine neue Stellung zugewiesen worden war?
(Sehr richtig! links.)
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