1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 179

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Wir machen unsere Opposition einer Regierung, die nach unserer Auffassung in der auswärtigen und inneren Politik verhängnisvolle Wege geht. Wir machen unsere Opposition mit dem Endzweck, auf verfassungsmäßigem Wege und mit verfassungsmäßigen Mitteln die Regierungsgewalt zu erlangen.

(Zurufe links: Na also!)

und durch diese Regierungsgewalt unsere positiven Ziele zu verwirklichen.

(Zuruf von den Sozialdemokraten.)

Nicht allein! Wir sind der Überzeugung, daß wir Sie (zu der Volkspartei und der Mitte) einmal auf unserer Seite haben werden, daß im gegebenen Augenblick nicht nur die Deutsche Volkspartei, sondern auch andere uns helfen und mit uns marschieren werden!

(Zurufe von den Kommunisten.)

Solange die Verhältnisse dafür nicht reif sind, arbeiten wir daran, sie reif zu machen. Da Volk und Staat inzwischen leben müssen, stellen wir die Staatsmaschine nicht still und machen auch keinen Versuch dazu.7 So lange suchen wir auch in der Opposition ein Höchstmaß von Einfluß auf die Arbeit der gesetzgebenden Körperschaften und auf die Gestaltung der deutschen Geschicke auszuüben; durch positive Mitarbeit dort, wo uns die ganze Grundtendenz der gerade in Frage bestehenden Vorlagen als annehmbar erscheint, und durch Verhinderung und durch Bekämpfung, wo uns das nicht mehr möglich ist.

(Zuruf von den Kommunisten.)

Die Herren von der Deutschen Volkspartei scheinen ja mitunter eine etwas andere Auffassung über die Stellung einer Oppositionspartei im parlamentarischen Staat zu haben.

(Sehr richtig! Bei der Deutschen Volkspartei.)

- Herr Kollege Becker, ich glaube, daß Sie, wenn Sie sich genau überdenken, was ich eben gesagt habe, vielleicht zu der Ansicht kämen, daß das nicht ganz richtig ist; und ich verstehe mitunter nicht - das wollen wir erklären - die Grundsätze, von denen Sie bei Ihrer Opposition ausgehen. Herr Dr. Becker betonte am Freitag, wenn ich ihn recht verstanden habe, seine Partei werde in der Opposition bleiben, obwohl sie durch ihre Beteiligung an dem Kompromiß die Regierung Wirth gestützt, gefestigt und vielleicht sogar gerettet hat.

(Zuruf von der Deutschen Volkspartei.)

- Sie haben das gewiß nicht mit Absicht getan, aber es ist die Wirkung! Die Herren von der Deutschen Volkspartei scheinen auf der anderen Seite einen besonderen Erfolg darin zu sehen, daß die Regierung mit Ihrer Denkschrift "die Richtlinien einer Oppositions-partei als die Richtlinien der künftigen Regierungspolitik angenommen" habe. Das wird in Ihrer Presse unterstrichen und ist neulich vom Herrn Kollegen Becker auch hier sehr stark unterstrichen worden. Mir scheint, wenn die Regierung tatsächlich nach Ihrer Pfeife tanzt, haben Sie als Oppositionspartei


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aufgehört zu existieren. Aber die Regierung wird nicht nach Ihrer Pfeife tanzen, solange Sie nicht drinnen im Saale, sondern nur von der Straße her blasen. Ihre Richtlinien in allen Ehren! Aber was bedeuten Ihnen die Zusagen dieser Regierung? Der dritte Punkt - und da gehen wir auseinander - ist:8 einen neuen Eingriff in die Vermögenssubstanz halten wir nur in Verbindung mit einer endgültigen für das deutsche Volk erträglichen Regierung der Kontributionsfrage für möglich und statthaft. - Die Zwangsanleihe ist ein Eingriff in die Substanz. Sie wollen die Zwangsanleihe beschließen, ohne daß irgendwelche Garantien für eine erträgliche Lösung des Reparations- und Kontributionsproblems gegeben sind. Viertens und schließlich: das wichtigste für uns ist der unumstößliche Entschluß, nichts mehr zu unterschreiben, was nicht erfüllbar ist.

(Zuruf bei der Deutschen Volkspartei; Einverstanden!)

Wer die deutschen Finanzen sanieren will, muß zunächst das Vertrauen in die deutsche Unterschrift sanieren.

(Sehr richtig! Bei den Deutschnationalen.)

Wer will, daß das deutsche Geld wieder Geltung bekommt, muß erst dafür sorgen, daß das deutsche Wort wieder auf seinen alten Goldwert gebracht wird, nicht nur im eigenen Volk, sondern draußen in der ganzen Welt!

(Sehr richtig! Bei den Deutschnationalen.)

Meine Damen und Herren! Zu der Wahrheit über unsere Lage, die der Welt und dem deutschen Volk mit aller Deutlichkeit gezeigt und vor Augen geführt werden muß, gehört auch die gewaltige Anforderung, die unserem Volke unter den jetzt vorliegenden Steuergesetzen mit dem Entwurf der Reichsvermögenssteuer auferlegt wird. Die Vermögensteuer ist als eine dauernde Last gedacht. Der Tarif beginnt mit 1 Promille jährlich und steigt bis auf 1 Prozent jährlich vom Werte des Vermögens. Dazu sollen in den nächsten 15 Jahren in Abgeltung des nicht zur Erhebung kommenden Teils des Reichsnotopfers Zuschläge erhoben werden, die von 100 auf 200 Prozent ansteigen. Die Gesamtsteuer für die nächsten 15 Jahre bewegt sich also von 2 Promille bis auf 3 Prozent vom Vermögenswert. Was die Vermögenssteuer im Verhältnis zu dem Einkommen, aus dem doch schließlich die Steuern bezahlt werden müssen, bedeutet, mögen Ihnen einige wenige Zahlen illustrieren. Bei einer Rentabilität des Vermögens in Höhe von 5 Prozent, von denen ½ Prozent für die Kapitalertragssteuer abgeht, bedeuten die 2 Promille in der niedrigsten Stufe einen Zuschlag zur Einkommensteuer von 4,4 Prozent, in der höchsten Stufe von 3 Prozent eine Zuschlagssteuer in Höhe von 66 ½ Prozent zu der bis auf 60 Prozent ansteigenden Einkommensteuer. Machen Sie die Rechnung: Sie kommen auf 130 Prozent des Einkommens und mehr.


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