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gesamtes Wirtschaftsleben ausüben, es in seinen Tiefen erschüttern und politisch eine Verbitterung und Erregung in der Bevölkerung
hervorrufen, die zu beklagen ist.
Die Ursachen der Preissteigerung sind ja im Laufe der Debatte durchaus richtig dargestellt worden. Wir haben eine Preissteigerung,
die auf die Entwertung unserer Mark zurückzuführen ist, die unmittelbar in der Preisbildung zum Ausdruck kommt bei allen Waren,
die vom Ausland eingeführt werden.
Ganz unleidliche Zustände7 - das haben ja auch die einzelnen Redner hier ausgeführt - haben sich auch in den Grenzbezirken
herausgebildet. Wir haben geradezu ein Leerkaufen unserer dortigen Warenversor-gungsstätten und als notwendige Folge davon
eine erhebliche Preissteigerung, die noch viel mehr zu beklagen ist. Wir haben festgestellt, daß beispielsweise im Monat
September nicht weniger als rund 121 000 Personen über die dänische Grenze gekommen sind, um hier Einkäufe zu machen. Das
ist nicht nur Volkswirtschaftlich sehr übel für uns, für das Deutsche Reich, sondern in demselben Maße auch für die dänische
Volkswirtschaft, weil dort eine ganz unsolide und untragbare Konkurrenz geschaffen wird, die auch politisch die unangenehmsten
Rückwirkungen zeitigt. Die Aussichten für die künftige Geschäftslage werden unter solchen Umständen die denkbar schlechtesten,
denn ich fürchte, daß sehr bald nach diesem künstlichen Hinauftreiben der Konjunktur eine Zeit der schwersten Geschäftskrise
eintritt, die wieder mit einer großen Arbeitslosigkeit verbunden ist.
(Sehr richtig! rechts.)
Der Herr Minister Hermes hat bereits darauf hingewiesen, was geschah, um Wuchererscheinung und Preisüberhebungen zu bekämpfen.8
Als Herr Minister Hermes diese Äußerungen machte, ist hier im Hause der Widerspruch erhoben worden, daß unsere Gerichte doch nicht
in genügender Weise gegen Personen vorgehen die sich solcher Vergehen schuldig machen. Ich darf auf die Statistik der Wuchergerichte
vom Jahre 1920 hinweisen, die ergibt, daß die Zahl der Strafverfahren und der zur Aburteilung gekommenen ziemlich umfangreich
sind und die Gerichte auf diesem Gebiete doch eine sehr ersprießliche Tätigkeit ausgeübt haben. Im Kalenderjahr 1920 sind bei
den deutschen Wuchergerichten gegen 27.524 Personen Verfahren anhängig geworden, darunter gegen 22.583 wegen Schleichhandels
und gegen 4.587 wegen Preistreiberei und Überschreitung von Höchstpreisen.
Also liegen die Dinge9 doch nicht so, daß man den Gerichten den Vorwurf machen kann, in der Bekämpfung des Wuchers sei nichts geschehen.
Ich möchte mich nicht zu der Frage äußern, die immer bei allen Lebensmitteldebatten im Reichstag auftaucht, ob der Handel
oder ob die Erzeuger den größten Nutzen haben. Ich sage: der Verbraucher hat einen sehrstarken Schutz, um sich gegen übermäßige
Preisbildung des Handels zu wehren in der
7S. 5019C
8S. 5020B
9S. 5020C
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Organisation seiner Konsumgenossenschaften. Wenn er seine Waren in der Konsumgenossenschaft einkauft, kann er mit Sicherheit
darauf rechnen, daß ihn kein übermäßiger Preisaufschlag seitens des Handels bedrückt. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß
der freie Handel nicht viel über die Preise der Konsumvereine hinausgeht, zum Teil sogar auf gleicher Höhe mit ihnen steht.
Aber es ist unbestreitbar, daß wir in der Preisbildung beim Erzeuger meiner Ansicht nach doch eine sehr ungesunde Tendenz der
vollständigen Ausnutzung der Konjunktur und einer übermäßigen Preissteigerung zu verzeichnen haben, die sehr zu bedauern ist.
(Sehr wahr! links.)
Ich habe es auch gerade im Hinblick auf unsere gegenwärtige wirtschaftliche und politische Lage unangenehm empfunden,
daß der Zentralverband des Deutschen Großhandels in letzter Zeit sich bemüht, dahin zu wirken, daß die Wucherverordnung
aufgehoben wird. Der gegenwärtige Zeitpunkt scheint mir dazu der ungeeignetste zu sein, und, ich glaube, ein wirklich
ehrbarer Kaufmann braucht diese Wucherverordnung nicht zu fürchten und ist jederzeit gegen eine Anwendung dieser
Strafbestimmungen geschützt, wenn er sich auf reellen Bahnen in Handel und Verkehr bewegt.
(Zustimmung links.)
Ich bedaure es auch, daß der Einzelhandelsausschuß des Deutschen Industrie und Handelstages Abänderungen in der
Preistreibereiverordnung verlangt. Diese Wünsche gehen im wesentlichen darauf hinaus, daß bei der Feststellung eines
angemessenen Preises nicht mehr die Gestehungskosten plus einem angemessenem Gewinn die Grundlage sein soll, sondern
die Ausnutzung der Marktlage, unter Umständen also auch der Notmarktlage.
(Hört! Hört! links.)
Das sind Anforderungen, die in Verbraucherkreisen das Misstrauen und die Unzufriedenheit sehr stark steigern und berechtigte
Vorwürfe gegen andere Erwerbsschichten erheben lassen. Ich möchte bitten, daß man mit solchen Anforderungen vorsichtiger ist
und an den Empfindungen anderer Erwerbsschichten nicht achtlos vorübergeht.
Im Zusammenhang damit möchte ich einiges über die Lebenshaltung eines großen Teils unserer erwerbstätigen Bevölkerung
sagen. Ich habe sehr oft im persönlichen Verkehr, hier und da auch in der Presse die Meinung angetroffen, daß wir
gegenwärtig eigentlich in der Lebenshaltung nicht weit oder auch gar nicht gegen die Lebenshaltung vor dem Kriege
zurückstehen. Das ist ein großer Irrtum.
(Sehr richtig! links.)
Dieser Irrtum, der uns auch in unserer Außenpolitik außerordentlich gefährlich wird, steigert sich, wenn Fremde aus dem Ausland
herkommen, und die Dinge in Deutschland oberflächlich betrachten. Wenn man in Berlin W. auf den Straßen herumläuft und danach
die Lebensgewohnheiten des Volkes taxiert, wird man immer zu einem Trugschluß kommen. Wenn man das Volk kennen lernen will,
dann muß man nicht in sehr zweifelhafte Lokale hineinblicken, die leider üppiger emporgekommen sind, als es uns lieb ist,
sondern man soll das Volk aufsuchen in seinem Heim,
(sehr richtig! links)
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