1. Reichstag, Weimarer Republik


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Seite 149

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Die Arbeiterschaft muß sich bereithalten. Die Stunde kommt, meine Damen und Herren, da die Arbeiterschaft ihre Geschicke in ihre eigene Hand nehmen wird!18

(Lebhafter Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Präsident: Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Abgeordnete Graf v. Westarp.

Graf v. Westarp, Abgeordneter: Meine Damen und Herren!19 Meine politischen Freunde sind nicht der Ansicht, daß der Verlauf der Debatte uns Anlaß gibt, noch in eine eingehende Polemik und Erörterung einzutreten. Ich habe nur im Auftrag meiner politischen Freunde einige Ergebnisse der Verhandlungen festzustellen. Von dem Material, mit welchem die Schuld der Deutschnationalen Partei bewiesen werden sollte, und das in großer Fülle angekündigt worden war, hat, wie wir feststellen konnten, der Herr Reichskanzler in dieser Debatte Gebrauch nicht gemacht. Er hat keine tatsächlichen Unterlagen zur Begründung dieser Beschuldigungen vorgetragen.

(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)

Gleichwohl hat, wie wir mit Bedauern feststellen müssen, der Herr Reichskanzler die Ehrenerklärung für unsere Partei, auf die wir Anspruch haben,

(oho! bei den Sozialdemokraten)

die wir gefordert haben und weiter fordern, nicht abgegeben.

(Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Im weiteren Verlauf der Debatte hat der Herr Abgeordnete Scheidemann und der Herr Abgeordnete Rosenfeld die Rolle übernommen, die Angriffe gegen uns mit der gebührenden Schärfe vorzutragen. Der Herr Abgeordnete Scheidemann hat sich erlaubt auszusprechen, daß uns, die Deutschnationale Volkspartei, die Schuld an dem Morde Erzberger treffe.

(Sehr richtig! und Zurufe bei den Sozialdemokraten: Mindestens moralisch.)

Wir sehen voraus,20 daß diese Behauptung, wie üblich, in den phonographischen Apparat der Agitation draußen im Lande eingeschaltet wird,

(lebhafte Zustimmung und Zurufe bei den Sozialdemokraten: Wird er auch werden!)

mag diese Behauptung mit dem ganzen Pathos und der lauten Stimme der Herren Scheidemann und Rosenfeld noch so oft wiederholt werden: sie ist und bleibt das, als was wir sie ansehen, eine bewußte, wider besseres Wissen ausgesprochene Unwahrheit.

(Lebhafte Zustimmung bei den Deutschnationalen. - Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Mit gleicher Entrüstung wie diese Behauptung weisen wir zurück die ungeheuerliche Hetze, die gegen unseren politischen Freund, den Herrn Abgeordneten Dr. Helfferich, entfaltet worden ist,

(Unruhe und Lachen bei den Sozialdemokraten und auf der äußersten Linken)

entfaltet in den hier gehaltenen Reden, entfaltet in den ewigen Zwischenrufen, entfaltet in den Versuchen, ihn


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vorige

jedesmal, wenn er sprechen will, niederzubrüllen, entfaltet vor allen Dingen auch in dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, an dem Morde Erzbergers schuldig zu sein.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten, - Unruhe bei den Deutschnationalen.)

Auch alle diese Behauptungen und Vorwürfe sind wider besseres Wissen ausgesprochene Unwahrheiten.

(Lebhafte Rufe bei den Deutschnationalen : Sehr wahr! - Unruhe links.)

Wir stehen geschlossen und einmütig hinter unserem Freund Dr. Helfferich.

(Beifall bei den Deutschnationalen. Zurufe links.)

Noch ein Wort über unser Verhältnis zur Sozialdemokratie,21 wie es sich aus dieser Debatte ergeben hat. Ich muß sagen: "Quis tulerit Gracchos de seditione querentes?" auf Deutsch: "Wer möchte die Partei der Scheidemänner ertragen, wenn sie über revolutionäre Propaganda Klage führt?"

(Große Heiterkeit.)

Die Sozialdemokratie ist die Partei der revolutionären Propaganda, die ihr ganzes System aufgebaut hat auf skrupellose persönliche Angriffe und auf verhetzende Aufpeitschung der Massen.

(Lachen und Zurufe links.)

Sie hat am allerwenigsten das Recht, irgendjemandem, geschweige denn uns, Vorhaltungen über unser Verhalten im öffentlichen und politischen Leben zu machen. Die Debatte hat das, was ich hier gesagt habe, aufs neue bestätigt.

(Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.)

In diese Richtung fällt die in diesen beiden Tagen mehrfach besprochene Äußerung, daß die Arbeiterschaft es im November 1918 versäumt habe, die Vertreter der rechtsstehenden Kreise, gewisse persönlich genannte Männer, an den Laternenpfahl zu hängen.

(Lachen und Zurufe links.)

Je mehr Sie uns in dieser ungesetzmäßigen und gewaltsamen Weise bekämpfen, um so fester und unbeirrter werden wir eintreten und arbeiten für die nationalen Ziele, die unseren Auffassungen und unserer Pflicht entsprechen.22

(Lebhafter Beifall rechts. - Zurufe links: Hurra!)


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