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(Hört! hört! bei den Deutschen Demokraten.)
- Diese Demokratie ist nicht das, was Sie unter Demokratie ausgeben. Ich habe von der wahren Demokratie gesprochen und nicht
von der bloßen Form der Demokratie, die Sie vertreten.
(Lebhafte Zustimmung rechts.)
Wir wissen sehr wohl, daß die Gedanken des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der schiedsrichterlichen Erledigung
von Streitigkeiten unter den Völkern sich schließlich durchsetzen werden.
(Hört! Hört! Bei den Deutschen Demokraten.)
Unser Kampf richtet sich also nicht gegen große sittliche Ideen, sondern gegen die Verzerrung und die unvernünftigen
Ausschreitungen solcher Ideen, wie sie uns in den Begriffen der Diktatur des Proletariats und der sozialistischen Gesellschaft,
diesem ungeheuren allgemeinen Völkerbrei, vor die Augen treten.
Es nimmt mich wunder, daß Parteien, die revolutionäre Ziele verfolgen, so wenig über die Geschichte der Revolution unterrichtet sind.
(Sehr gut! Rechts.)
Wer die Diktatur des Proletariats erstrebt, der muß die Voraussetzungen kennen, unter denen eine völlige Umgestaltung der
Gesellschaft überhaupt möglich ist. Nicht alle Revolutionen haben solche Folgen, sondern nur die großen Revolutionen der
Weltgeschichte haben diese Wirkungen gehabt, und das sind, soweit wir ein klares geschichtliches Bild haben, nur drei. Das ist
die große englische Revolution des 17. Jahrhunderts, die große französische Revolution und die russische große Revolution, die wir selbst erleben.
(Andauerndes Gelächter auf der Linken.)
Diese Revolutionen unterscheiden sich von den anderen dadurch, daß sie aus einer großen allgemeinen Idee hervorgingen,
der nicht bloß ein Teil der Bevölkerung anhing, sondern das ganze Volk, und es ist wesentlich für diese Revolutionen,
daß ihnen die Sturmvögel der Revolution vorangegangen sind, nämlich eine gewaltige Literatur. Wenn Sie an die große
englische Revolution denken, so nenne ich Ihnen nur - -
(Zuruf links: Was hat das mit Gareis zu tun?)
- Was das mit Gareis zu tun hat? Das hat sehr viel damit zu tun.
(Lachen links. - Zuruf von den Deutschnationalen:
Mehr als die Reichskanzlerrede!)
Sie wollen diese Interpellation dadurch schmackhaft machen, daß Sie erklären, es gelte den Kampf gegen die Reaktion, die diesen
Mord auf dem Gewissen habe; deshalb weise ich Ihnen nach, daß wir überhaupt keine Reaktion wollen,
(Lachen links)
sondern daß Sie die schlimmste Reaktion, die proletarische Diktatur, über Deutschland heraufführen wollen, die es überhaupt gibt.
(Lebhafte Zustimmung rechts.) 6
Aber Sie wollen ja nur Schlagworte hören, sonst nichts. Ich gebe auch zu, es ist zuviel Ehre an diese deutsche Republik verschwendet,
mit solchen Beweisen Sie überzeugen zu wollen.
(Sehr wahr! Und Bravo! Bei den Deutschnationalen.)
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Ich sage also: Revolutionen, die den Erfolg haben wollen, die gesellschaftlichen Zustände vollständig umzuwandeln, wie Sie das
erreichen wollen, haben ganz bestimmte historische Voraussetzung. Charakteristisch für alle solche Revolutionen ist es namentlich,
daß sie eine gewaltige Weltliteratur erzeugt haben. Die deutsche Revolution aber ist ohne jede Literatur, und was sie an
literarischen Erscheinungen erzeugt hat, ist nicht der Rede wert.
(Sehr wahr! rechts.)
Wir wehren also nicht das ab, was an lebendigen und lebenskräftigen Ideen in der Zeit steckt, sondern nur die törichten
Ausschreitungen solcher Ideen.
(Sehr richtig! Bei den Deutschnationalen.)
Nun beklagen sich die Herren ja ab und zu über das Maß der Abwehr. Das Maß der Reaktion richtet sich immer nach dem Maß
der vorhergegangenen Aktion. Wer hat denn die überhitzte Atmosphäre in Deutschland geschaffen? Wer hat die Furien der
Zwietracht in Deutschland entfesselt?
(Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.)
Wer hat aus den Ketten, in die am 1. August 1914 die aufflammende Vaterlandsliebe den uralten deutschen Hader geschlagen hat, -
wer hat aus diesen Ketten den ersten Ring gebrochen mit der Ablehnung der Kriegskredite? Sind Sie (nach links) das nicht gewesen?
(Lebhafte Rufe rechts: Sehr gut! - Zuruf von den Sozialdemokraten: Die sechs Verbände!)
- Sie (zu den Sozialdemokraten) waren es nicht, aber die Herren hier (zur äußersten Linken). Wer hat sich während des ganzen
Krieges bemüht, die Front und die Heimat zu revolutionieren? Wer hat die Revolution vom
9. November 1918 gemacht und sich dessen gerühmt? Wer hat also dafür gesorgt, daß das eiserne Spiel um Deutschlands Freiheit
und Wohlfahrt verloren gegangen ist. Sie, meine Herren!
(Lebhafte Zustimmung rechts. - Lachen bei den Unabhängigen Sozialdemokraten und bei den Vereinigten Kommunisten.)
Wer hat, als der Widerstand des deutschen Volkes gegen den Frieden von Versailles aufgerufen wurde, diesen Widerstand hinterrücks
gebrochen? Die Herren, die die Interpellation eingebracht haben!
(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen und bei der Deutschen Volkspartei. - Lachen bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
Wer vervollständigt ununterbrochen die Schmach der Entwaffnung damit, daß er den eigenen Feinden Häscherdienste leistet? Sie,
meine Herren!
(Lebhafte Rufe rechts: Sehr wahr!)
Wer ist also daran schuldig, daß inmitten einer Welt der entfesselten nationalen Instinkte das deutsche Volk allein mit
gebrochenen nationalen Flügeln am Boden liegt? Doch nur Sie, meine Herren!
(Sehr richtig! rechts.)
Wer ist daran schuld, daß Deutschland zur Niobe der Nationen, das Volk der Dichter und Denker zu den Abderiten der Welt geworden ist?
(Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)
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