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Fraktion hatten nicht das Bedürfnis, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten van den Kerkhoff zu
wünschen, wie es der Abgeordnete Erzberger dem Hause gegenüber geäußert hat. Im Gegenteil, sie verlangten,
formell mit Recht, auf Grund der Verfassung den Schutz des Abgeordneten van den Kerkhoff, und nachdem
dieser Schutz gewährt war,
hatte der Herr Abgeordnete van den Kerkhoff nichts Eiligeres zu tun, als unter dem Schutz der Immunität eine strafbare Handlung,
nämlich die eigenmächtige Abreißung der Siegel von seinem Geldschrank, zu begehen.
(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)
Gegenüber der Feststellung, daß es sich um den Vorwurf eines gemeinen Vergehens handle, hat der Herr Abgeordnete Schulz in der
Sitzung vom 30. Juni 1920 erklärt:
Die Aufklärung, die in dem Falle van den Kerkhoff nach unserer Auffassung unter allen Umständen, und zwar in aller Kürze,
erfolgen muß, wird geschehen. In dem Falle Erzberger haben wir auch nur diese Aufklärung verlangt, aber bis heute nicht erhalten.
Darin liegt die Verschiedenheit, mit der Sie die Fälle behandeln.
Das war an den Herrn Abgeordneten Dr. Rosenfeld gerichtet. Diese Aufklärung, die der Herr Abgeordnete Schulz in Aussicht gestellt
hat, hat leider bis jetzt nicht erteilt werden können,
(hört! hört! bei den Sozialdemokraten)
und zwar war es der Herr Abgeordnete van den Kerkhoff selbst, der sie planmäßig verhindert hat.
(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)
Er hat sie verhindert, indem er, ohne dazu berechtigt zu sein, die Siegel von seinem Geldschrank entfernte. Er hat sie verhindert,
indem er die notwendigen Auskünfte über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verweigerte.
(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)
Er hat sie verhindert, indem er sich die Gunst eines Aktendiebstahls zunutze machte.
(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten. - Zuruf von den Deutschnationalen: Das ist nicht wahr!)
Statt Aufklärung zu ermöglichen, hat der Herr Abgeordnete van den Kerkhoff sich vom Finanzamt Vohwinkel ein gefälschtes
Ehrenzeugnis ausstellen lassen,
(hört! hört! bei den Sozialdemokraten)
das mit Blitzgeschwindigkeit auf das Drängen der Herren Abgeordneten Helfferich und Genossen durch den Hauptausschuß des
Reichstags der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde, und als dieses gefälschte Ehrenzeugnis hier im Hause mitgeteilt wurde,
durfte der Abgeordnete van den Kerkhoff die Gratulationen der Mitglieder seiner Fraktion entgegennehmen.
(Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten: Hört! Hört! - Abgeordneter Wels: Gleiche Brüder, gleiche Kappen! - Gegenrufe von
den Deutschnationalen: Wer hat gefälscht?)
- Das will auch ich genau wissen -
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(Abgeordneter Dr. Helfferich: Das wollen wir auch wissen!)
- lassen Sie mich bitte aussprechen - und zu dem Zwecke stelle ich die Frage an den Herrn Reichsfinanzminister, was zur weiteren
Untersuchung dieser Angelegenheit geschehen ist.
(Zuruf von den Deutschnationalen: Dann reden Sie doch nicht vorher von Fälschung!)
- das Zeugnis ist unter allen Umständen gefälscht.
(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)
das steht einwandfrei fest. Auf alle Fälle sind die Tatsachen in diesem Zeugnis des Finanzamtes Vohwinkel, wie der unanfechtbare
Bericht, der uns gestern gegeben worden ist, nachweist, umgebogen, in ihr Gegenteil verkehrt worden.
(Abgeordneter Dr. Helfferich: Stimmt auch nicht!)
- Ich bin fest überzeugt, Sie werden in der Lage sein, nachher den Abgeordneten van den Kerkhoff zu verteidigen, und Sie werden
es fertig bringen, aus weiß schwarz oder aus schwarz weiß zu machen.
Von besonderem Interesse sind aber noch die Mitteilungen des Landesfinanzamts Düsseldorf, die der Herr Berichterstatter uns
gestern unterbreitet hat über das System der Bestechung, das in der Kriegszeit allgemein emporgewuchert ist. Diese Mitteilungen
beziehen sich auf die Jahre 1916 bis 1918. Damals, Herr Abgeordneter Dr. Helfferich, gab es noch keine Revolution, noch keine Republik.
(Zuruf von den Deutschnationalen: Das beweist doch nichts!)
- Das beweist doch soviel, daß die Korruption und das Schmiergeldunwesen nicht erst mit der Revolution ausgebrochen sind, wie
Sie behaupten, sondern, daß es im kaiserlichen Staate emporgeblüht ist. Mir scheint in diesen Feststellungen des Landesfinanzamtes
die Bestätigung dafür zu liegen, was der Herr Abgeordnete Stresemann bereits im Oktober 1918 - vor der Revolution - einmal erklärt
hat. Er sagte, daß in der Frage der Vergebung von Lieferungen durch das Kriegsministerium gerade im ersten Jahre des Krieges ein
System verfolgt worden sei, dem wir die Schieberwirtschaft in Deutschland und die Kriegsgewinnlerwirtschaft am allermeisten zu
verdanken haben. Das war die Ära Helfferich.
(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. - Abgeordneter Dr. Helfferich: Vorher!)
Sie waren damals Staatssekretär, verehrter Herr Abgeordnete Helfferich, nämlich in den Jahren 1916 bis 1918, auf die sich die
Feststellungen des Landesfinanzamts Düsseldorf beziehen; das werden Sie nicht bestreiten wollen. -
(Abgeordneter Dr. Helfferich: Vermutungen!)
Das Landesfinanzamt Düsseldorf spricht von einer ganz allgemeinen Erscheinung, der man bei jeder Steuererklärung begegne, von
festgestellten Tatsachen. Diese Erscheinung ist also als ein Produkt des Krieges und nicht als Erzeugnis der Revolution und der
Republik anzusprechen.
Da liegt denn auch die Frage nahe, an wen denn damals die Bestechungsgelder gezahlt worden sind.
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