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Reinecke-Bloch ist ein Fremdstämmiger, wie sie es zu nennen pflegen.
(Zuruf rechts: Ist nicht deutschnational!)
- Gut, er gehört der Deutschen Volkspartei an.
(Zuruf rechts: Ist nicht daßelbe!)
- Nein, es ist nicht daßelbe, aber Ihre Freunde sitzen doch in dieser Regierung mit unter einem fremdstämmigen
Ministerpräsidenten. "Wasser allein tuts freilich nicht", und dadurch, daß der Herr den Segen der Taufe empfangen
hat, ist seine jüdische Fremdstämmigkeit nicht verändert.
Sie greifen zu den Fremdstämmigen immer dann, wenn Ihr nationaler Geist allein nicht mehr ausreicht, um beispielsweise
eine gute Regierung zu bilden.
(Sehr gut! Und Heiterkeit bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. - Lachen und Zurufe bei den Deutschnationalen.)
- Ja, Herr v. Graefe, daß Sie besonders unglücklich darüber sind, daß ein solches Pech in Ihrem Lande Mecklenburg-Schwerin
geschehen ist, das kann ich begreifen.
(Abgeordneter v. Graefe: Da haben wir schon viel schlimmere Sachen erlebt!)
Aber ich gebe mich der Hoffnung hin, daß Sie vielleicht noch mit dem Gedanken umgehen, zum Judentum überzutreten oder zurückzutreten.
(Heiterkeit bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
Wenn Sie freilich, wie ich schon sagte, in Ihren eigenen Reihen so wenig wirklich durchaus teutsche und germanische
hervorragende Persönlichkeiten haben, daß Sie an dem selben Tage, wo Sie hier das antisemitische Roß tummeln, sich in
Mecklenburg unter die Leitung eines getauften Juden als Ministerpräsident stellen, dann ist das doch ein Beweis für
die geistige Armut Ihrer deutschnationalen Gemeinschaft.
(Abgeordneter v. Graefe: Ist doch nicht deutschnational!)
- Herr v. Graefe, Sie waren eben nicht im Hause, als dieser Einwand schon einmal gemacht wurde. Ich verstehe, daß Sie
diesen Fremdstämmigen auf die Deutsche Volkspartei abschieben wollen.
(Abgeordneter v. Graefe: Er gehört ihr doch an!)
Ich sage aber noch einmal, daß Ihre eigenen Parteifreunde in Mecklenburg gemeinsam mit der Deutschen Volkspartei
sich unter diesen Führer stellen.
Für uns würde das nicht von so großer Bedeutung sein, wenn das eben nicht an demselben Tage geschähe, wo hier das
christliche und deutsche Bewußtsein von Ihrer Seite so stark betont worden ist. Ich nehme aber an, das Ganze ist,
wie Sie ja selbst ausdrücken, nur ein Versehen und eine Episode, die vorübergehen wird.
Nun hat der Herr Abgeordnete Mumm gemeint, mein Freund Rosenfeld habe heute ein besonderes Pech gehabt insofern
als unter anderem der demokratische Minister des Innern sich auf den Boden der Resolution der Deutschnationalen
gestellt habe, und der Herr Abgeordnete Mumm wird mit Genugtuung festgestellt haben, daß auch der demokratische Redner
dieses Hauses, der Herr Abgeordnete Korell, im großen und ganzen in dieselbe Trompete geblasen hat. Er meinte, das sei
Pech für den Abgeordneten Rosenfeld oder für meine Partei. Nein, das ist nicht Pech der Unabhängigen, sondern das ist
das Elend der Demokratischen Partei.
(Sehr gut! Bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
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Es hat eine Zeit gegeben, meine Herren von der Demokratischen Partei, wo Sie Ihren Stolz darein setzten, allen,
auch den leisesten Regungen des Antisemitismus mit Entschiedenheit entgegenzutreten.
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
Ich erinnere Sie daran, daß der beste und größte Demokrat, den es vielleicht je in Deutschland gegeben hat,
Theodor Barth, sich mit Stolz an die Spitze des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus stellte und sich dafür von
den Rechten als Judenschutztruppenmajor beschimpfen lassen mußte, an die Spitze desselben Vereins zur Abwehr des
Antisemitismus, meine Herren, der damals in Ihrer besseren Zeit einen großen Teil Ihrer Wahlkämpfe finanzieren mußte.
Ich weiß mit Bestimmtheit, daß dieser Verein, dem Sie doch personell nahe stehen, eine derartige Resolution, wie sie
uns von der Rechten hier vorgelegt wird, unter keinen Umständen gutheißen würde.
(Zuruf von den Deutschen Demokraten: Was geht uns das an?)
- Es geht Sie nichts an, ich erlaube mir nur, Sie an eine bessere Vergangenheit zu erinnern.
(Lebhafte Zurufe von den Deutschen Demokraten: Dazu sind Sie berufen!)
- Ich bin deshalb dazu berufen, weil ich in dieser besseren Vergangenheit Mitglied dieser Partei gewesen bin.9
Meine Damen und Herren! 10 Wir haben beantragt, daß eine Statistik aufgestellt werde über die gesamte Einwanderung
und Auswanderung in Deutschland ohne Unterschied der Rasse und der Nationalität, und wer den antisemitischen Charakter
der deutschnationalen Resolution umgehen will, wer diesen Zahn ausbrechen will, der stimme unserem Antrag zu.
Wir denken nicht daran, eine besondere Lanze für das Judentum brechen zu wollen,11
(Zurufe rechts)
dazu haben wir nicht die geringste Veranlassung.
(Rufe rechts: Oho!)
Wir wollen nur bei dieser wie bei jeder anderen Frage vermieden sehen, daß irgendwelche Rassenvorurteile zum Vorwand
irgendwelcher politischen Handlungen gemacht werden.
(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
Und wenn Sie darauf hinweisen, daß deutsche Juden und daß vor allen Dingen besitzende Juden gegen die Einwanderung
aus dem Osten besonders energisch auch ihrerseits Front machten. So antworte ich mit Lessing: "Der reichere Jude
war mir nie der bessere Jude". und ich sage weiter: gerade das ist ein Beweis für uns, daß die kapitalistischen Juden,
daß die reich gewordenen Juden aus rein kapitalistischen Gründen diese Einwanderung von der anderen Seite nicht wollen.
- Ihre geniale Handbewegung, Herr Mumm, scheint darauf hinzudeuten, daß es auch in unsren Reihen wohlhabende Juden gäbe.
(Abgeordneter D. Mumm: Mehr wie einen!)
Sie sehen aber, daß unsere wohlhabenden Juden in dieser Sache, wie in jeder sozialen Frage, in der Lage sind, ihre
9 S. 639A
10 S. 639D
11 S. 640A
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